HINTEN ANSTELLENIch war enttäuscht, als Rayman Legends um ein halbes Jahr nach hinten verschoben wurde. Und ich hatte durchaus vor, es mir irgendwann zu kaufen, nur nicht zum Release, weil in den folgenden Wochen sooooviele tolle Sachen kommen, dass ich Rayman Legends hinten anstellen wollte - schließlich habe ich nicht unendlich viel Geld.
Doch jetzt wurde mir das Glück zuteil, ein Rezensions-Exemplar von Rayman Legends zu erhalten und ich warne Euch inständig: Statt Rayman Legends hintenanzustellen, wie ich es getan hätte, stellt lieber irgendwas anderes hinten an!
Rayman Legends hat meine Erwartungen - "Ja, wird bestimmt ein echt gutes Spiel, aber mehr vermutlich nicht!" - übertroffen. Ubisoft haben das einstige Versprechen, die Features der Wii U in das Gameplay einzubinden und intuitiv nutzbar zu machen, gehalten. Man vernimmt beim Spielen, wieviel Mühe man sich machte, alles bestmöglich hinzubekommen. Man hört die Liebe zum Detail bei der Musik, man nimmt sie bei den Soundeffekten wahr, man sieht sie beim Betrachten der Grafik.
UUUUUUUHHHHIch tüdel bei allem möglichen die Melodie aus dem Titelbildschirm in die Welt, ich pfeiffe ständig die easy-life-banjogestützten Phrasen aus dem Spielmodus-Auswahl-Screen vor mir her, und wenn ich in einem der Level irgendwas entdecke, was gut versteckt war, dann ahme ich das anerkennende "Uuuuuuuhhhh" nach, das dann jedes Mal eingespielt wird, so, als wäre ein Publikum im Raum und bewundere staunend meinen Fund. Überall hört man Zwitschern und Rufe in den Wäldern, Quaken in Sümpfen, Blüten und Blätter entlang des Weges wippen leicht hin und her...
Dazu ist der Stil der Musik schwer zu beschreiben. Mal hört man Instrumente, die man mit dem Mittelalter verbindet, dann Instrumente, die eher an Klassik erinnern, dann glaubt man, man wäre in der Nähe der Highlands und höre einen Scottish-Dance-Song - und manchmal hört man alles gleichzeitig oder abwechselnd in einem fröhlichen Mix.
Aber was man auch immer hört, es passt perfekt zur Ölgemälde-Grafik und der stimmungsvollen Atmosphäre, die auf dem Bildschirm zu sehen ist, im Besonderen in Bewegung, wenn etwa Bäume sich in 2D vom Hintergrund abheben. Die gesamte akustische und visuelle Präsenz verzichtet auf Pomp und Effekthascherei, sondern erzielt das, was sie tut, durch Liebe zu Details und abwechslungsreiche Gameplay-Ideen, dazu die butterweiche Reaktion der Charaktere auf alle Controller-Eingaben...
FINGERGESCHICKDiese Eingaben sind dabei so simpel, wie sie bisweilen komplex sind. Denn nicht nur springt oder läuft man, man kann auch schlagen, um Gegner auszuknocken, oder während des Sprungs auf diese hinabstürzen. Unnötig zu erwähnen, dass später mehr und mehr Passagen teil des Gameplays werden, bei denen viel Reaktionsvermögen und Fingergeschick abverlangt werden wird.
Außer den bei Jumpern heute üblichen Aktionen gibt es aber, GamePad-sei-"Dank", auch Besonderheiten, wie Abschnitte, in denen etwa Globox ganz allein durch die Gegend latscht und springt. Aber das nur, solange der Weg vor ihm frei ist. Also schlüpfen wir in die Gestalt von Murfy und sorgen für sichere Pfade. Steht dort ein gefährlicher Troll, müssen wir ihn kitzeln, damit er abgelenkt wird und Globox ihm eine hinter die Löffel hauen kann, fehlt da eine Plattform, müssen wir sie ihm hinschieben und etwaige Hindernisse eventuell wegtippen, manchmal gibt es auch kleine Rätsel, wie drehbare Scheiben, an die sich Globox hängen muss, dann neigen wir die Scheibe vorsichtig, damit Globox sich nicht an den Stacheln verletzten kann, oder oder oder... Somit sind Gyroskop-Funktion und Touchscreen des GamePads häufiger mal im Einsatz...
Das ist allerdings auch der einzige Schwachpunkt an Rayman Legends. Die Stellen, bei denen man als Murfy eher in das Gameplay eingreift, statt richtig zu spielen, weil man für Globox den Weg bahnt, sind passiv und wirken auf mich häufig entbehrlich. Auch wenn Globox widererwarten einen Geheimgang nicht anpeilt, obwohl man offenbar alles korrekt einleitete, oder er beispielsweise irgendwo hineinfällt, weil man es um einen winzigen Millimeter oder eine Millisekunde verpatzte, wo ein/e menschliche/r Spieler/in als Globox einfach abgewartet und es dann richtig gemacht hätte, dann ärgert man sich schon ein wenig und wünscht sich, man hätte ihn selbst gesteuert. Ich für meinen Teil habe die "Murfy-Level" immer direkt gemieden, wann immer es ging.
Das ist möglich, weil nicht alle der vielen, vielen Level unbedingt gespielt werden müssen. Ähnlich wie z.B. in Super Mario 64 zählt Rayman Legends, wieviele der insgesamt 700 Kleinlinge schon befreit wurden und wieviele Lums man sammelte. Je mehr es insgesamt sind, desto mehr Level werden zugänglich, bzw. darf man auch in die späteren Welten und ihre Level vorstoßen, die bis dahin mit Schlössern unzugänglich waren. Auf diese Weise ist man dann nicht unbedingt dazu angehalten, alle Level zu spielen, sondern halt immer nur ausreichend Lums und Kleinlinge in bereits gespielten Leveln ergattert zu haben.
Zwar habe ich dann irgendwann auch alle Murfy-Level gemeistert, aber nur, weil ich 100% haben wollte. Darum hätte ich alternativ gut gefunden, dass man statt Murfy den Globox bedient, und dass die CPU Murfy übernimmt, das würde irgendwie viel mehr Sinn machen, finde ich.
MULTIPLAYERDeshalb ist es ein mehr als willkommenes Feature, dass man das Abenteuer zu 100% mit bis zu fünf Personen spielen kann. Spieler/in 1 ist dabei immer auf das GamePad angewiesen (übrigens auch im Singleplayer!), während die Mitspieler/innen auf Wiimote, Wiimote und Nunchuk, Classic Controller oder Pro Controller ausweichen können, bzw. müssen. Somit übernimmt die Person mit dem GamePad automatisch immer auch die interaktiven Murfy-Levelelemente, wie verschieb- oder drehbare Plattformen, das Kitzeln von Trollen und was es sonst noch so gibt. Wo also diese GamePad-Elemente im Singleplayer nicht so gut wegkommen, sind sie für den Multiplayer genau richtig und fordern und fördern die Kooperation. Ja, spielt man kooperativ am GamePad, fühlt man sich richtiggehend für die Anderen verantwortlich und nimmt das Getouche sehr ernst.
Möchte man im Multiplayer agieren, drücken die Mitspieler/innen auf ihrem Eingabegerät einfach einmal die Minus-Taste und schon sind sie dabei (wer wieder aussteigen will, drückt zweimal hintereinander die Minus-Taste). Auf diese Weise beugt man Nervereien mit der KI vor und hat gleichzeitig viel mehr Spaß beim Spielen. Weil nämlich: Im Gegensatz zu beispielsweise
New Super Mario Bros. U, wo man sich eigentlich nur dauernd anrempelt, runterwirft, auf den Kopf springt und man sich ständig nur im Weg steht, bietet Rayman Legends, wenn man so will, "friendly Fire". Man kann sich zwar gegenseitig boxen, aber ansonsten behakt man sich überhaupt nicht. Man läuft durch sich durch, kann also immer aneinander vorbeigehen, ohne, dass man sich versehentlich schubst oder auf den Kopf springt.
Das ist auch dringend notwendig, denn vor allem ab dem zweiten Drittel der Gesamtspielzeit werden die Level auch schon mal frustig hart, da hat man viel Trial and Error zu erdulden; und würde man sich im Multiplayer dazu auch noch fortwährend behindern, gäbe das ein Fäkaliensprache-Wettstreit mit tausenden Schuldzuweisungen von höchster Güte; darum: Ubisoft, danke, dass daran gedacht wurde.
Aber, Ubisoft, danke NICHT für so manche wirkllich unfaire Stelle in diversen Leveln. Da muss man binnen Sekundenbruchteilen beispielsweise mehrere Plattformen auf engstem Raum hin- und herschieben, damit Globox nichts geschieht! ...bis so ein Abschnitt endlich überstanden ist, kann es schon mal eine Weile dauern, weil gern auch Glück dazu gehört - denn ich hatte häufig den Eindruck, dass es eher am Touchscreen des GamePads lag, als an meiner Reaktion und Genauigkeit, so blitzschnell alles korrekt zu unterscheiden, wenn der Finger dorthin und hierhin flutscht.
Deshalb wird man, Single- und Multiplayer hin oder her, sehr, sehr oft an diversen Checkpoints wieder und wieder und wieder neustarten - wenigstens gibt es unendlich viele Leben und man wird direkt an den letzten Checkpoint gebeamt, ohne nervige "Leben-Verloren-Zwischensequenzen" oder Ladescreens.
Wer es demnach im Singleplayer nicht packt, kann sich hier und dort ja Multiplayer-Unterstützung dazuholen und es so versuchen - das macht es leichTER, aber bei Weitem nicht leichT. Wie erwähnt, das Game hat schon zu Beginn einige herbe Level zu bieten, aber je weiter man kommt, desto härter und ausdauernder muss man für Erfolge kämpfen. Von einem gemütlichen Wochenend-Zocken in trauter Familienrunde rate ich darum dringend ab; wenn diese eher Wii Sports oder Farmville gewohnt sind. Hier müssen erfahrene, reaktionsstresserprobte Leute ran - sonst sollte man's sein lassen!
Beim Umfang kann ich nur applaudieren! Hält man sich eher an die "direkte Route", ist man nach 8-10 Stunden durch. Spielt man aber ALLE Level, und die auch noch auf Perfektion, also mehrfach, um am Ende das befriedigende 100%-Spielstand-Gefühl zu haben, ist man gut und gerne 25-30 Stunden unterwegs; je nachdem, wie oft man an Checkpoints kleben blieb, oder man versteckte Orte suchen muss, weil in Level X noch ein Kleinling fehlt, den man aber einfach nicht entdeckt.
SPIELEMODUS-AUSWAHLWer die Hatz nach Lums, Kleinlingen und Co. zwischendurch auch mal satt hat - denn schließlich gibt es nicht nur die vielen regulären und geheimen Level, sondern auch noch ganze 40 aus
Rayman Origins obendrauf -, kann man sich Challenges widmen oder Kung Foot spielen
Die "Challenges" unterscheiden sich im Grunde nicht von denen, die man aus der kostenlosen "Rayman Legends Challenges"-App vom eShop kennt. Man muss Rekorde brechen, z.B. auf Zeit oder gesammelte Lums Level meistern. Zudem blendet das Spiel am unteren Bildschirmrand auch öfters mal ein, wer gerade auf Platz 1 irgendeiner Liste ist, oder wie gut die Leute auf der eigenen Freundesliste so abgeschnitten haben. Für die Nutzung der Challenges ist aber eine Internetverbindung oberste Pflicht: vor Betreten des Challenges-Bereichs will das Spiel sich mit dem Internet verbinden und wenn das nicht geht, wird der Verbindungsversuch nach 2 Minuten automatisch abgebrochen und man ist zurück in der Spielemodus-Auswahl-Lobby.
Kung Foot ist eine Mischung aus Fußball und einer winz'gen Prise Super Smash Bros. Man spielt im Multiplayer in zwei Teams und jedes Team muss versuchen, den Ball in das Tor des anderen Teams zu donnern - macht irre viel Spaß, wenn man nicht gerade ein ganzes Wochenende damit verbringt.
Ach ja, nochwas zum Abenteuer: Online mit anderen im Abenteuer spielen ist nicht möglich, das geht nur lokal an derselben Konsole!
FAZITDer Mix aus Spielbarkeit, lockerer und zugleich düsterer Atmosphäre und viel, viel Umfang stellt Rayman Legends derzeit auf den Platz Nummer 1 der Jumper für Wii U. Nicht in allen Punkten perfekt, zugegeben, aber ziemlich nah dran. Ferner fällt mir echt kein Jumper ein, der optisch und akustisch so vereinnahmend ist und sich dabei selbst immer wieder mit schrägen Gameplay-Einfällen beißt, ohne, dass man sich darüber wundert, sondern vielmehr genau das sogar erwartet - nicht zu vergessen die permanente Abwechslung.
Chapeau, Ubisoft!