Paris. 1889. Wir sind Abenteurerin. Und darauf erpicht, uns einen klangvollen Namen zu erarbeiten, indem wir von Expeditionen Reichtümer mitbringen, oder eben währenddessen an uns herangetragene Aufgaben erfüllen. Natürlich könnten wir auch ganz allein auf die Reise gehen, aber das wäre Wahnsinn, da viel zu gefährlich. Also beschaffen wir uns eine Crew, sodass wir bis zu sechst unterwegs sein werden.
Jedes Crewmitglied hat unterschiedliche Vor- und Nachteile. Eines ist ein Ass im Angriff, das nächste schlägt beim Handel immer einen Nachlass für uns heraus, während ein anderes das Fleisch erlegter Wildtiere in verzehrbare Mahlzeiten verwandeln kann, was die Weiterreise erleichtert. Wie wir unsere Truppe zusammenstellen, bleibt uns überlassen und wir werden immer wieder auch mal vor die Wahl gestellt, Mitglied A zu entlassen, damit Mitglied B bei uns anheuern kann. Interessant ist dabei, dass auch Wildtiere ein Teil unserer Crew sein können. Dazu müssen wir uns an sie heranpirschen und ihr Vertrauen gewinnen - sonst rennen sie weg. Die meisten Wildtiere sind uns allerdings feindlich gesinnt. So stoßen wir nicht nur auf verfluchte Skelettpiraten, sondern auch auf Wölfe, Elefanten, Riesenskorpione oder gigantische Sandwürmer. Nicht zu vergessen unser ärgster Wiedersacher. Dieser schändliche Mistkerl. Der unseren Ruf verächtlich macht, wo er nur kann.
Fast alle Aktionen werden über W6-Würfel durchgeführt. Je nach Level unserer Mitglieder sind aber nicht alle Würfelseiten mit einer Aktion belegt. Das geschieht erst mit der Zeit, also durch Level-ups. Welche Aktionen auf einer Würfelseite eingeprägt ist, ist abhängig von Ausrüstung und Fähigkeiten eines Charakters. Es gibt Fausthiebe, Messerstiche, Pistolenschüsse, Heilung oder Verteidigungs- und Schadensboni, aber auch ganz besondere Aktionen, wie etwa, die gewürfelte Seite eines Würfels zu duplizieren, sodass eine Aktion zweimal in derselben Runde ausgeführt werden kann. Nicht zu vergessen, dass Aktionen durch Würfelergebnisse der Anderen zusätzlich verstärkt werden können.
Doch auch das Erforschen von Höhlen, Grabanlagen oder Schiffswracks wird über Würfel geregelt. Gelingt das gefährliche Durchsuchen eines Sarkophags ohne Blessuren, oder geht etwas schief? Auch das ist immer auch mit von der Konstellation der Crew und ihrer Level und Fähigkeiten abhängig.
Andererseits sind unsere menschlichen Crewmitglieder eben genau das: menschlich! Sie haben oder entwickeln ihre Charakterzüge. Da ist von Alkoholsucht, Sexismus, Kleptomanie, Liebe oder Treue so ziemlich alles dabei, was unsere Reise zusätzlich leichter oder zusätzlich schwerer machen kann. So kann Alkoholsucht bei jemandem dazu führen, dass eine längere Zeit ohne Alkohol zu unkontrollierten Wutausbrüchen oder Mutlosigkeit führt - was die Reise erschwert, beziehungsweise zusätzliche Ressourcen kostet. Durch ausreichend Erfahrung und Ansehen lassen sich solcherlei Charakterzüge auch ausnutzen oder manchmal heilen - wenn man es dann möchte.
Dadurch bleibt Curious Expedition 2 jederzeit spannend. Viele, oft auch nur scheinbar kleine Entscheidungen können ein anderes Mitglied beeinflussen. So war etwa meine Männern gegenüber sehr ablehnende Heilerin fortwährend gegen meinen Priester am sticheln und drückte so auf die Moral aller - und sie grinste hämisch, als ich mich entschied, ihn zu entlassen, weil ich meine Gruppe etwas umstrukturieren wollte.
Die Expeditionen übrigens sind Ähnlich unterhaltsam und spannend. Wir legen mit dem Schiff an einer Insel an und sollen beispielsweise einen bestimmten Ort finden - von dem wir nur die Generalhimmelsrichtung kennen. Aber was unter der zuerst immer noch vollständig verdeckten Inserlkarte ist, sehen wir erst, wenn wir uns fortbewegen und sich das umliegende Gebiet bis zu einem gewissen Radius aufdeckt. Wir sind also gezwungen, uns peu a peu vorzutasten - und können jederzeit auf Informationen, Rastplätze, Dörfer, Ruinen, Schätze, Freunde oder Feinde stoßen.
Damit wir allerdings überhaupt vorwärtskommen, benötigen wir ausreichend Bewegungsenergie, dargestellt durch ein violettes Symbol oben rechts. Mit jedem Schritt auf der Karte nimmt diese Energie ab. Beim Besteigen eines Bergs, Durchqueren eines Sumpfes und ähnlichem, nimmt es sogar rapide ab, weil der Weg viel beschwerlicher ist. Sinkt diese wertvolle Energie auf 0, haben wir ein großes Problem. Wir schwächeln, geraten ins Delirium, brechen uns ein Bein, sterben an einer Infektion oder oder oder... Um diese wertvolle Energie wiederherzustellen, ist eine Rast zu empfehlen, oder der Verzehr von Nahrungsmitteln. Leider können wir nicht unendlich viel davon bei uns tragen, dann unser Inventar ist begrenzt und Nahrungsmittel gibt es nicht gerade wie Sand am Meer.
Wir haben also ein ewiges Damoklesschwert über uns. Lieber die Schätze oder Gebrauchsgegenstände bei uns tragen? Lieber die Grabstätte um ihre Statuen und Edelsteine erleichtern, oder riskieren, dass dadurch eine Falle ausgelöst wird und jemand sich das Bein bricht - oder noch schlimmeres geschieht? Lieber zurück zum Schiff und quasi umsonst unterwegs gewesen zu sein - aber dafür überleben? Mit Volk A gegen Volk B verbünden? Das unbekannte Portal aktivieren?
TECHNIKCurious Expedition 2 ist im Vergleich zu seinem Vorgänger
Curious Expedition definitiv eine Verbesserung auf ganzer Linie. Grafik, Sound, Gameplay, Quests und wie die verschiedenen Charaktereigenarten und Inselgeschehnsse aufeinander einwirken - alles ist sehr viel ausgefeilter, runder, durchdachter, besser abgestimmt. Allerdings kommt es auf größeren Inseln, wenn der giftige Nebel sich immer mehr verbreitet, irgendwann zu ziemlichen Rucklern und ganz kurzen Freezes beim Scrolling oder Wandern über die Map. Nichts wirklich dramatisches, aber auffällig ist es dennoch, weil das Gameplay ansonsten stets butterweich läuft.
Auch dass es drei Schwierigkeitsgrade gibt, und alle Inseln zusätzlich leicht, mittel oder schwer sein können, sorgt für ein recht großes Spektrum an Möglichkeiten, das Spiel zu erleben. Wer es knallhart wünscht, stellt auf Schwierigkeitsstufe 3 und wählt immer die Inseln, die am meisten abverlangen. Und wer es eher gemächlich möchte, oder wer erst einmal die Spielmechaniken verstehen will, macht es sich ganz einfach. Allerdings sind auch auf der leichtsten Stufe mit fortschreitender Spielzeit immer häufiger Inseln dabei, die seeehr knapp werden können, wenn man in der Zwischenzeit nicht lernte, auf seine Nahrungsmittelvorräte und Rasten Acht zu geben - und selbst dann steht es manchmal auf des Messers Schneide. Zumal es ständig Überraschungen gibt, wenn man die Teilnahme an einem Stammesritual ablehnt - oder zusagt. Wichtig bei solchen Dingen sind dann die Nuancen im Begleittext, der tagebuchartig verfasst ist.
Die Hauptkampagne dauert etwa 10 bis 12 Stunden an, aber danach gibt es noch jede Menge Abenteuer. Wir können einfach erneut die Kampgne mit anderen Voraussetzungen spielen, oder uns im Direktormodus versuchen, der diverse kleine Ergänzungen und Komplikationen bereit hält und mehr oder weniger eine Art Endlos-Modus darstellt.
FAZITZuerst erweckt Curious Expedition 2 den Anschein, eher eine Art HD-Remake seines Vorgängers zu sein. Spielerisch ist alles beim alten geblieben, doch unter der Haube wurden soviel mehr Abhängigkeiten diverser Faktoren zueinander eingefügt und auch das Würfelsystem wurde deutlich getuned. Auch gibt es viel mehr Feinde, Plottwists und und und. Wer auf Abenteuer mit D&D-Einschlag ohne Entscheidungszeitdruck steht, ist hier genau richtig - und wer bereits
Curious Expedition mochte, ist es sowieso.
ERGÄNZUNGEN ZU DLCSAm 17.3.2022 erschien der DLC "Highlands of Avalon", am 23.6.2022 kam DLC "Shores of Taishi" und am 15.9.2022 war es der DLC namens "Robots of Lux". Alle drei kosten jeweils 5,99€ und fügen ihrerseits jeweils neue Inseltypen, Völker, Waffen, Items, Gegnertypen, rekrutierbare Charaktere und Tiere, Expeditioneleiter/innen und diverse kleine Tweaks hier und da hinzu. Dadurch wird Curious Expedition 2 zwar nichts anders im Gameplay - Gott sei Dank! -, aber auch nicht wirklich abwechslungsreicher.
Sicher, die Fülle an Waffen, Items, Charakteren und Co. wird so sehr gesteigert, und somit auch die Möglichkeit, wie man seinen Trupp zusammenstellt und diesen ausrüstet, doch es mangelt am Ende an interessanten Aufgaben, denn man bleibt - wie beim Basisspiel - dabei, die immer selbe Handvoll Missionsziele auf den Inseln zu erledigen: Finde die Pyramide, aktiviere die Portale, erkunde die Vermessungsorte der Insel. Gleiches gilt für die Nebenquests: Für das Dorf ein Monster besiegen oder eine Reliquie finden. Schade ist dabei vor allem jedes Mal, wenn man rein zufällig fast zu Anfang die eine Höhle findet, in der das Monster haust, dessen Existenz man beweisen soll, oder die zu suchende Pyramide fand.
Letztendlich habe ich allein nur durch die drei DLCs nochmal gut 30 Stunden investiert, weil Curious Expedition 2 eben einfach viel Spaß macht und spannend bleibt, aber auch nach diesen nochmal 30 Stunden habe ich keine anderen Aufgaben gehabt, und selbst die neuen Inseltypen, so ansprechend sie optisch sind, funktionieren genauso wie die bereits im Basisspiel mitgelieferten.
Schön wäre gewesen, gegen einen CPU- oder via Internet menschlichen Gegner zum Beispiel einen Punktewettstreit auszufechten, oder wer zuerst eine gewisse Anzahl Inseln erkundete, oder dabei am wenigsten Gegner erledigte, oder die meisten Schätze fand. Oder vielleicht auch was quasi-kooperatives, wodurch man zwar in Rivalität bleibt, aber man eben auch gegenseitig Informationen teilen muss, damit beide Seiten weiterkommen.
Somit bleibt Curious Expedition 2 auch mit den eigentlich interessanten DLCs, da sie die Kombinationsmöglichkeiten der Truppen und ihrer Ausrüstung erweitern, im Grunde unverändert, denn im Umkehrschluss ändern die neuen Inseln, Völker und dergleichen nichts daran, dass man stets dieselben Dinge zu erledigen hat.
Wer also im Basisspiel schon die Kampagne zur Genüge durchspielte, sowie im Direktor- oder dem dann folgenden Endlosmodus mehrfach alles erreicht hat, darf aussetzen. Wer Curious Expedition 2 noch nicht kennt und interessiert ist, oder wer von Curious Expedition 2 nicht genug bekommen kann, oder eben nur hin und wieder mal eine Session einschiebt, sollte sich ebenfalls die DLCs besorgen - oder doch wenigstens einen. Ich empfehle in diesem Fall am ehesten "Robots of Lux", weil hier durch die Roboter und Elektronik- und Technologie-Elemente einige Variation bei der Truppenzusammenstellungen machbar wird. Als Fun-Fact sei genannt, dass es sich hier um eine Kooperation mit dem Steamworld-Universum handelt. Wer also Piper Faraday oder Valentine Butterbolt wiedersehen möchte, hiermit ist's möglich!
Ach ja: Die DLCs integrieren sich übrigens auch in laufende Spielstände. Das heißt, man muss keinen neuen Spielstand beginnen, wenn man von den DLC-Inhalten profitieren will; die neuen Inseltypen, Waffen und so weiter werden in jedem Falle verfügbar sein, bzw. in den Spielverlauf integriert, sofern sie installiert sind, versteht sich.