Mit Braveley Default, das 2012 in Europa für den Nintendo 3DS erschien, erschuf die Edel-Entwicklerschmiede Square Enix, Mutter der weltberühmten Final Fantasy-Reihe, eine neue Rollenspielperle! Das betont klassisch gehaltene, rundenbasierte Kampfsystem wusste zu begeistern und bescherte dem neuen Stern am Rollenspiel-Himmel durchweg Top-Wertungen in der Fachpresse. Wer die europäische Version bis zum wahren Ende zockte, der wusste schon damals, der Nachfolger wird kommen. Nun, etwas mehr als zwei Jahre später, ist es soweit und Bravely Second: End Layer steht auch im alten Europa endlich in den Startlöchern. Kann Square Enix noch einen draufsetzen?
Eine Reise, vier SchicksaleDer Spieler schlüpft in die Rolle von Yew Geneolgia, 16-jähriger Erbe eines wohlhabenden Adelsgeschlechtes und seines Zeichens Anführer der Drei Kavaliere. Das Trio wird komplett mit dem Bischof Nikolai und mit Fecht-Wunder Janne. Zwei Jahre nach den Ereignissen aus
Bravely Default, als die boshafte Gottheit Ouroboros das Land verdunkeln wollte, stehen Yews Heimat, dem Land Luxendarc, erneut schlimme Zeiten in Aussicht. Mit zunächst unbekannten Absichten aber unter Aufwenden erheblicher, militärischer Schlagkraft marschiert das "Glanz-Imperium" in Luxendarc ein und zerschlägt mit Leichtigkeit die Kristallwache, die dem Schutz des Landes und er Bürger diente. Als wäre das nicht genug, entführen die Angreifer zudem Agnès Oblige. Die Vestalin des Windes erweckte während der Ereignisse vor zwei Jahren die vier Kristalle, die Luxendarc im Gleichgewicht halten und war in der Zwischenzeit Päpstin geworden. Nur sie ist in der Lage, die Kristalle zu erwecken. Yew, Nikolai und Janne machen sich als letzte Bastion der Kristallwache auf den Weg zur fliegenden Festung, wo man Angès festhält, um sie aus den Fängen des Imperiums zu befreien. Welche Absichten könnte der Kaiser, Anführer des Glanz-Imperiums, mit der Entführung verfolgen? Auf seinen Wegen durch Luxendarc wird Yew auf Unmengen von Charakteren stoßen. Wer ist Freund und wer ist Feind? Schon bald befehligt der Spieler eine Gruppe aus vier Recken durch eine unvorhersehbare Geschichte mit etlichen Wendepunkten. Jeder von ihnen erzählt seine eigene Geschichte. Mehr möchte ich an dieser Stelle noch nicht verraten.
In Luxendarc nichts Neues?Abseits der neuen Story und Charaktere wirkt Bravely Second: End Layer in den ersten Spielstunden sehr vertraut, wenn man das Seriendebüt gespielt hat. Sofort sticht ins Auge, dass Game-Design und Sound nahezu unverändert übernommen wurden. Das ist nicht negativ aufzufassen, da schon
Bravely Default ein optisch und akustisch fesselndes Spielerlebnis geboten hat. Technisch basiert auch Bravely Second: End Layer auf demselben Fundament. Es wurden auch andere Elemente recycelt. Da wäre beispielsweise die Oberweltkarte, die nur im Detail anders aussieht als noch vor zwei Jahren oder auch eine Vielzahl der Orte, die in
Bravely Default besucht wurden und nun erneut und ebengleich erkundet werden wollen. Städte und Dungeon. Letztere sogar samt Gegnern.
Weniger überraschend ist hingegen, dass sich das eigentliche Spielprinzip nicht verändert hat. Eingefasst in eine spannende, häufig wirre Story erforschen Yew und sein Gefolge die Oberwelt von Luxendarc und Verliese. Dabei müssen sie immer mit Zufallskämpfen gegen bis zu vier Angreifer rechnen. Die Kämpfe laufen mit dem bewährten System aus
Bravely Default in rundenbasierter Rollenspielmanier ab. Für gewonnene Kämpfe kassiert die Gruppe nicht nur schnöden Mammon und Erfahrungspunkte zum Aufleveln und Verbessern der Statuswerte, sondern auch sogenannte Job-Punkte. Job-Punkte dienen dazu, die berufsbedingten Fähigkeiten eines Charakters, sprich seine Angriffe und Abilities, zu verbessern. Denn in Bravely Second: End Layer kann jeder der Charaktere aus 30 unterschiedlichen Berufen wählen, die seine Fähigkeiten im Kampf und den Umgang mit den unterschiedlichen Waffenarten wie Schwert, Axt, Bogen oder Pistole bestimmen. Wieder mit von der Partie sind viele der 24 aus
Bravely Default bekannten Berufe wie Weiß- und Schwarzmagier, Schwertmeister, Dieb und Rotmagier. Der Arbeitsmarkt von Luxendarc bietet seit Bravely Second: End Layer jedoch weiter Berufe, wie etwa den Kämpfer, den Zauberer und den Astrologen. Mit ihren neuen Fähigkeiten bringen sie noch mehr Tiefgang in das Kampfsystem und erweitern besonders die Möglichkeiten der magischen Angriffe. Etwas nutzloses Wissen am Rande: Der Job "Indianer", den es in der japanischen Version des Spiels gibt, fiel in der europäischen Ausgabe der Zensur zum Opfer. Er wurde durch einen anderen Beruf ersetzt, der seine Fähigkeiten geerbt hat. Wie für RPGs aus dem fernen Japan üblich, wurden auch diverse Outfits der weiblichen Protagonisten im Zweifelsfall etwas umgeschneidert.
Was Yew zu seinem Traumberuf führt, ist nicht etwa eine fundierte Berufsausbildung sondern die sogenannten Asterisken, eine Art magischer Amulette, die von besonders starken Gegner getragen werden und bei Erhalt die Ausübung bestimmter Berufe ermöglichen. Werden diese besonderen Gegner also geschlagen, kann man ihre Berufe ausführen.
Um mangelnde Komplexität muss sich im Kampfsystem von Square Enix' Rollenspiel-Epos niemand Sorgen machen. Wie für RPGs üblich, unterliegen magische Angriffe einem Elementklassensystem. Die große Mehrheit der Gegner hat also eine Elementklassen-Schwäche. Ein paar ganz Gewitzte heilen sich sogar, wenn sie von einem bestimmten Element getroffen werden. Die verschiedenen Waffenklassen, 11 an der Zahl, haben ähnlichen Einfluss auf das Geschehen. Je nach Gattung haben bestimmte Waffen eine erhöhte Wirkung. So sind Äxte das richtige Mittel gegen Pflanzen und Stäbe gegen Untote.
Den größten Einfluss auf den Verlauf der Kämpfe haben aber die Namensgebenden Kommandos "Brave" und "Default". Mit "Brave" kann ein Recke bis zu vierMal innerhalb desselben Zuges angreifen, muss dafür aber so lang Aussetzen, bis der Zug-Zähler wieder bei null angekommen ist. Ein hohes Risiko, denn in der Zwischenzeit hat der Gegner freie Hand und man selbst kommt nicht in den Genuss von Heilungstränken. "Default" dagegen ist das defensive Äquivalent. Der Recke begibt sich in eine defensive Haltung. Es kann in diesem Zug zwar kein Angriff gestartet werden, aber der erlittene Schaden wird massiv verringert. Außerdem steigt der Zug-Zähler um einen Zug, was in der nächsten Runde zwei Angriffe desselben Charakters ermöglicht. "Default" ist die richtige Wahl, wenn ein harter Angriff des Gegners bevorsteht. Viele der Job-Fähigkeiten benötigen mehr als einen Zug. Man kann also mit Brave auf solche Angriffe "sparen".
Die "Bravely Second" ist das Kernfeature innerhalb des Kampfsystems. Jederzeit (!) kann durch einen Druck auf die Start-Taste die Zeit angehalten werden um bis zu drei Angriffe auszuführen. Der Haken an der Sache: Diese Angriffe verbrauchen sogenannte "SP", von denen Yews Gruppe maximal 3 sammeln kann. Es gibt unterschiedliche Wege, SP zu verdienen, doch in der Regel geht das von selbst. Alles was man braucht, ist Zeit. Viel Zeit. Ein SP in acht Stunden, die das 3DS-System im Standby-Zustand verbringt, während Bravely Second läuft. Die SP wollen also gut eingeteilt sein.
Die Kämpfe stellen den Kern des Gameplays dar. Doch auch daneben gibt es einige wenige Dinge zu erledigen. Im Wesentlichen dieselben Sidequests wie im Vorgänger. Galt es in
Bravely Default noch, das Dorf Norende wiederaufzubauen, muss nun der Aufbau einer Mondbasis organisiert werden. Warum eine Mondbasis wieder errichtet werden muss, und wie sie überhaupt zerstört wurde? Nun, auch das möchte ich hier nicht verraten. Nur so viel sei gesagt, der Ablauf bleibt derselbe, wie vor zwei Jahren in Norende. Der Spieler weißt den Dorfbewohnern Gebäude zu, die repariert werden sollen. Dafür benötigen die Bewohner eine gewisse Zeit, doch je mehr mit anpacken, desto schneller stehen die Mauern. Dafür winken dann Belohnungen wie Spezialangriffe oder seltene Items.
Auch gibt es abseits der Handlung des Hauptstranges wieder Nebenquest, die eigene, kleine Geschichten erzählen. Dabei treffen sich etliche Figuren aus
Bravely Default erneut. Ihre Absichten und Ansichten haben sich teils drastisch geändert und so verwickeln sie sich in neue, mal mehr, mal weniger glaubwürdige Konflikte. Der interessante Kniff: Während es im Vorgänger noch möglich war, durch fleißiges Erledigen aller Sidequests alle Job-Asterisken zu erhalten, müssen im Sequel moralische Entscheidungen getroffen werden, die nach sich ziehen, wer am Ende der kleinen Geschichten bekämpft werden muss und somit, welchen Job-Asterisken es zu ergattern gibt. Den anderen Beruf kann man dann nicht erlernen. Ein interessantes Feature, denn manchmal hält man eine Entscheidung vielleicht für richtig, findet den damit verbundenen Job aber weniger interessant, als das Pendant. Wie entscheidet Ihr? Lasst Ihr Euch von Eurer Moral leiten oder denkt Ihr strategisch?
Dann gibt es noch das "Kauwerk". Hinter dieser Wortschöpfung verbirgt sich im Wesentlichen ein Jukebox-Modus, der es ermöglicht, den Titeln des gelungenen Soundtracks zu lauschen. Die Protagonisten des Spiels basteln indes Plüschfiguren, die für Punkte verkauft werden, welche sich in die spielinterne Währung umwandeln lassen. Das passiert alles wie von selbst, während man der Musik lauscht. Eine kreative Idee, die für die Liebe zum Detail steht. Bei Bravely Second: End Layer wird man reichlich dafür belohnt, die Software im Standby-Modus oder im Kauwerk-Modus laufen zu lassen. Während im Standby die Mondbasis wieder errichtet wird und die SP sich regenerieren, bedeutet das Kauwerk bare Münze.
Benutzerfreundliches GemetzelBis zu vier unterschiedliche Aktionen für jeden der vier Kämpfer können in den Kämpfen je Zug ausgewählt werden. Es wäre reichlich Arbeit, sich jedes Mal durch all die Menüs und Untermenüs zu klicken. Zum Glück haben sich die Entwickler einige geschickte Kniffe einfallen lassen, um die Handhabung zu vereinfachen. Schon
Bravely Default überzeugte in dieser Hinsicht mit der Möglichkeit, das letzte Set an Aktionen automatisch wiederholen zu lassen. Noch dazu ließ sich auch das Tempo der Kämpfe wahlweiße beschleunigen oder anhalten, was viel Zeit sparte. Diese Features wurden nun weiter verbessert. So lassen sich bis zu drei Sets von Moves speichern und ausführen.
Bei allen Konfigurationsmöglichkeiten die Bravely Second: End Layer für die Aufstellung und Ausrüstung der Gruppe bietet, ist es lobenswert, dass sich nun bis zu zehn davon als Favoriten speichern lassen. So ändert die ganze Bande mit wenigen Klicks die Jobs, Fähigkeiten und Ausrüstung. Man fühlt sich dazu eingeladen, mit verschiedenen Konstellationen zu experimentieren.
Erfreulich für RPG Profis ist, dass das Grinding, also das schnelle Aufleveln der vier Recken vereinfacht wurde. So lassen sich nun Kämpfe verketten, wenn alle Gegner innerhalb der ersten Runde geschlagen wurden. Für lange Kampfketten winkt am Ende ein Bonus. Die erhaltenen Erfahrungs- und Job-Punkte werden mit einem Faktor bis maximal Drei multipliziert. Schade nur, dass sich dieses System besonders bei sehr schwachen Gegnern rechnet. Das nimmt einen großen Teil der Herausforderung, wenn man es darauf anlegt.
Apropos Herausforderung! Egal ob Einsteiger oder Fortgeschrittener, durch den jederzeit einstellbaren Schwierigkeitsgrad in den Stufen Leicht, Mittel und Schwer kann jeder seinen Spaß mit Bravely Second: End Layer haben. Daneben lässt sich zu jedem Zeitpunkt justieren, wie viele Zufallskämpfe stattfinden. Man kann sie sogar ganz ausstellen, um so zum Ausgang des Verlieses zu gelangen oder Ähnliches. Absolut praktisch!
Bei all den cleveren Features und Neuerung fällt eine Kleinigkeit fast unter den Tisch, die dem Spieler aber viele lästige Wege abnimmt. So finden sich in allen Städtchen im Reiche Luxendarc nun kleine, rosa Schweinchen. Warum auch immer, aber die kleinen Rüsseltiere ermöglichen es, sich zu allen bereits besuchten Städten zu teleportieren. Das ist supernützlich, wenn man mal etwas vergessen hat oder gegen bestimmte Gegner kämpfen möchte.
Des Kaisers alte KleiderWerfen wir noch einen Blick auf die Technik, die drinsteckt. Wer das Seriendebüt kennt, weiß exakt, wie Bravely Second: End Layer aussieht. In Sachen Grafik hat sich nichts getan, dass für meine Augen erkennbar wäre. Das ist aber nicht weiter schlimm. Denn für 3DS-Verhältnisse sah
Bravely Default gut aus. Es gibt definitiv Titel, die optisch mehr aus der Hardware rausholen. Doch viel mehr als von der Grafik leben
Bravely Default und Second von dem genialen Art Design. Aus diesem, dem mitreißenden Soundtrack und dem fabulös in Szene gesetzten 3D-Effekt bildet sich eine dichte Atmosphäre. Man bekommt das Gefühl, eine magische Geschichte in einem Popup-Buch zu lesen. Die Verliese sind recht unspektakulär gestaltet, aber unterscheiden sich deutlich untereinander. Die Städte hingegen sind echte Kunstwerke und wirken wie Gemälde. Es lohnt sich, einen Augenblick bewegungslos zu verharren. Denn dann zoomt die Kamera aus und gewährt einen bildhübschen Anblick der ganzen Stadt. Wer daran zweifelt, dass Videospiele Kunstwerke sein können, sollte das gesehen haben.
Bravely Second: End Layer bietet drei Spielstände und speichert im Spiel immer dann automatisch, wenn ein Raum betreten wird. Das ist komfortabel. Zudem kann man auf der Oberweltkarte jederzeit speichern. Alle Menüs sind logisch aufgebaut und nach kurzer Eingewöhnung findet man schnell das, was man sucht. Vorbildlich ist auch die Nutzung des zweiten Screens. Auf der Oberwelt zeigt er nicht nur eine Karte sondern beherbergt auch das Kartenmenü, über das sich das Spiel speichern lässt, über das man zur Mondbasis gelangt und auch in Yews Tagebuch. Hier führen er und der Rest der Gruppe unterhaltsam und detailverliebt Buch über besiegte Gegner, Gegenstände und Fähigkeiten. Nur ein weiterer Beweis dafür, wieviel Liebe in diesem Spiel steckt.
In den Kämpfen sieht man das Geschehen auf dem oberen Screen und wählt unten die Befehle aus. Ob der eigene Status, der der Gegner oder Zusatzinformationen zu jeder Waffe und zu jedem Zauber, alles ist mit wenigen Klicks leicht erreichbar und die Menüs logisch strukturiert.
FazitDa bleibt mir nicht viel zu sagen. Jedem Rollenspielfreund kann man nur empfehlen, sich Bravely Second: End Layer zuzulegen. Wer den Vorgänger noch nicht kennt, sollte ihn schleunigst nachholen, auch weil das hilft, die Charaktere und ihr Handeln in Bravely Second: End Layer besser nachzuvollziehen.
Wer sich trotz humorvoller und dramatischer Handlung, komplexem und doch einsteigerfreundlichem Kampfsystem und der verbesserten Handhabung noch nicht zum Kauf durchringen kann, sollte die mehrstündige Demo aus dem eShop testen. Der Spielstand lässt sich dann sogar in das Hauptspiel übertragen.
Bei allem Lob, es gibt auch Tadel! Man hat sich kaum an Neuerungen abseits des Kampfsystems getraut. Es ist beinahe, als würde man weitere Kapitel in
Bravely Default spielen. Viele der Orte, Gegner und Charaktere sind schon bekannt. Hier wäre etwas mehr Neues zu wünschen gewesen. Auch reißt mich die Story trotz all ihrer Wendungen nicht so sehr mit, wie damals
Bravely Default. Ich meckere auf hohem Niveau, doch meine Wertung fällt aus diesen Gründen einen Hauch geringer aus, als beim Erstling.