Eine riesige Großstadt, eingehüllt in einen tödlichen Eissturm, den niemand durchdringen kann. Abgeschnitten von der Außenwelt müssen die Bewohner in den Untergrund fliehen, um der Eiseskälte und dem sicheren Tod zu entkommen. Expeditionen nach oben sind hart und unbarmherzig, da neben dem frostigen Wetter auch wahnsinnige Kultisten, jähzornige Geister und wildgewordene Wahnsinnige den Erkundern das Leben nehmen wollen. Ein kleiner Suchtrupp rettet einer jungen Dame das Leben, ausgestattet mit einem magischen Artefakt, welches ihr scheinbar die Fähigkeit verleiht, den bösen Fluch zu durchbrechen.
So landet meine Protagonistin in Icenaire. Eine traditionelle Zwergenstadt, die sich im festen Griff des Schattenfürstens und seinen Anhängern, den "Grünen Flammen" befindet. Zuerst hegen ihre Mitmenschen einiges an Misstrauen. Als sie jedoch mit ihrem verstorbenen Vater in Verbindung gebracht werden, der ihr ein unleserliches Buch und die magische Unterarmschiene mit dem Hinweis auf ebendiese Stadt hinterließ, bekommt sie die Chance sich einen eigenen Namen zu machen und Taten sprechen zu lassen. Dabei geht es in der Stadt selbst nicht gerade friedlich zu. Menschen, Zwerge, Elfen, Dunkelelfen und die mit Fuchsmerkmalen ausgestatteten Foxier leben hier auf engstem Raum. Was natürlich zu kulturellen und politischen Spannungen führt. Weshalb ich mich jetzt als quasi Unparteiische gerne mal als Diplomatin versuche. Dazu gibt es noch die friedlichen Geister, welche sich frei an der Oberfläche bewegen können und deren Handeslnetzwerk das Überleben der lebendigen Bevölkerung bedingt.
Vambrace: Cold Soul macht demnach gleich zu Beginn ein riesiges Fass auf, durch das ich mich erst einmal durcharbeiten muss, um etwas von der Geschichte zu verstehen. Es gilt, verschiedene Formen der Magie, Völker und Rassen, technologische Errungenschaften oder ganze Religionen zumindest ansatzweise zu verstehen, ehe zum spielerischen Teil übergegangen wird. Dabei lässt mich die Übersichtskarte von einer Station zur nächsten tigern, was zwar einen Ausblick auf die lokalen Gegebenheiten bietet - so sind die nomadischen Dunkelelfen und die proteststarken Menschen einer bestimmten Widerstandsbewegung in den Slums untergebracht -, für das schnellere Manövrieren hätte ich jedoch einen Cursor oder eine Menüauswahl besser gefunden.
OBEN LAUERT DER TODDarkest Dungeon als Inspiration für Vambrace: Cold Soul zu nennen, ist meiner Meinung nach glatt untertrieben. Man könnte schon meinen, die Entwickler hätten den Erkundungspart und das Kampfsystem frech kopiert. Neben meiner Heldin Evelia Lyric nehme ich noch drei Mitstreiter aus einer zufälligen Auswahl an rekrutierbaren Erkundern mit an die Oberfläche. Jede Figur besitzt dabei Lebenspunkte und Vitalität und fällt nur einer dieser Werte auf Null, hat das den sofortigen Tod zu Folge. Nur im Falle von Lyrics Tod landet sie im Krankenhaus der Stadt - die anderen sind für immer verloren. Traglast, Kampfkraft für die Konfrontation, Geschicklichkeit zum Auffinden von Schätzen, Charisma für den Handel, Wahrnehmung zum Umgehen von Fallen und Aufmerksamkeit zum Verbessern der Qualität eines Nachtlagers sind ebenfalls Werte, die jeder Charakter mitbringt und in der Gruppe möglichst ausgeglichen sein sollten, da immer derjenige mit der höchsten Zahl in diesem Bereich agiert, bzw. agieren sollte. Meine Protagonistin ist dabei die einzige, welche ich über Talentpunkte nach meinem Belieben ausbauen kann. Alle anderen setzen auf vorgegebene Werte, die nur durch Ausrüstungsgegenstände erhöht werden können.
Bin ich auf einer Expedition, sind fünf Abschnitte zu bewältigen, um zum Boss des Gebiets vorzudringen. Diese Abschnitte unterteilen sich in mehrere zufallsgenerierte Räume, an deren Ende ein Ausgang auf mich wartet. Jeder Raum bietet zudem eine Interaktionsmöglichkeit. Dies variiert von Lagerplätzen, Feindesbegegnungen oder anderen einmaligen Gelegenheiten mit positivem oder negativem Ausgang. Zu viel Zeit sollte man indes nicht in einem Abschnitt verbringen, da der Aufenhalt an der Oberfläche konstant an der Vitalität der Gruppe zerrt und unsere Präsenz bösartige Geister anlockt, die nach bestimmter Zeit die Räume unsicher machen und der Gruppe ordentlich zusetzen. Lagerplätze auszunutzen, wann immer es möglich ist, sollte oberste Priorität haben. Denn nur hier lassen sich LP und Vitalität wieder herstellen oder lässt sich Medizin einnehmen, um erlittene Mali zu beheben.
Kommt es zum Kampf, steht mein Vierertrupp in einer Reihe seinen Gegnern gegenüber. Ist einer meiner Leute am Zug, kann ich einen Standardangriff einsetzen, in Defensivhaltung gehen oder eine von zwei Fähigkeiten einsetzen. Diese benötigen Mana, welche sich automatisch wieder auflädt. Der Handlungsspielraum der Kämpfer wird zudem von ihrer Position beeinflusst und diese im Schlachtverlauf zu ändern, kostet einen Zug. Das Kampfsystem ist nicht ganz so fordernd wie in der "Vorlage", da etwas an Komplexität eingebüßt wurde und die KI mitunter einige fragwürdige Entscheidungen trifft. Habe ich meine Taschen mit aufgesammeltem Kram überfüllt, oder die Befürchtung, meine Partie würde beim nächsten Windhauch in sich zusammenfallen, darf ich die Expedition an jeder x-beliebigen Stelle abbrechen und mit der bis dahin gemachten Beute nach Hause zurückkehren. Der Fortschritt wird allerdings zurückgesetzt und ich muss beim nächsten Versuch erneut den gesamten Abschnitt bereisen, um das Kapitel zu beenden.
EISIGE LANDSCHAFTENMan sollte meinen, dass ein Spiel mit einem permanenten Eissturm wenig Abwechslung zu bieten hat. Dem ist in Vambrace: Cold Soul allerdings nur bedingt so. Klar sehe ich öfter mal die gleichen Gebilde, aber jeder bereiste Stadtbezirk weist seine alleinigen Eigenschaften auf. Der handgezeichnete Look für Umgebung und Charaktere weiss zu gefallen, auch wenn meine rekrutierbaren Mitsstreiter sich gelegentlich mal wie ein Ei dem anderen gleichen. Dafür stechen immerhin andere Akteure aus dem Cast heraus und die Entwickler haben es geschafft, ihren Stil aus
The Coma sehr ansehnlich weiterzuentwickeln.
Die deutsche Übersetzung ist solide, wenn auch an einigen Stellen etwas holprig. Dafür weiß die Soundkullisse der düsteren und bedrückenden Stimmung gehörig unter die Arme zu greifen. Das Spielgeschehen lief soweit flüssig und der Touchscreen wird im Handheld-Modus für die Menünavigation unterstützt. Einziges Manko ist an dieser Stelle die nicht gemachte Anpassung an HD-Rumble und auch der fehlende Menüpunkt zum Ausschalten dieser Funktion. Also wieder in die Systemeinstellung der Switch selbst gehen... Ein härterer Schwierigkeitsgrad und so manche Entscheidung während der Geschichte laden zudem zum Wiederspielen ein und für Sammler lassen sich eine Vielzahl an Outfits für Lyric freischalten. Ich hatte beispielsweise das Glück, frühzeitig auf einen Einteiler zu stoßen, der dezent Samus' Zero Suit nachempfunden zu sein scheint.
FAZITEs braucht schon eine gewisse Zeit und Geduld, um in die Gänge zu kommen. Vambrace: Cold Soul bedient sich zudem ziemlich eindeutig einem anderen, populären Titel als Vorlage, schafft es allerdings nicht, an diesen heranzureichen. Dafür ist die Geschichte immerhin ziemlich komplex, die Herausforderung groß und die Präsentation weitestgehend überzeugend. In diesen Aspekten punktet Vambrace: Cold Soul demnach ungemein.