EINE ART LEGENDEWir bewegen uns mit Armilly und ihren Freunden auf den Spuren einer Art Legende, die uns letzten Endes die Befreiung vom Übel bringen soll. Denn nur aus diesem Grunde sind wir eigentlich unterwegs. Armilly ist eine schlagkräftige Roboter-Dame, die behände vor allem mit dem Schwert ist, und sie lernt nach und nach in der Sache Gleichgesinnte kennen, sodass das Grüppchen schon bald auf 5 Charaktere angewachsen sein wird (wobei, eigentlich ist ein Charakter streng genommen ein Zwilling, wird aber wie einer gesteuert).
Diese Gemeinschaft zieht durch Areale, die stets in Raumabschnitte eingeteilt sind. Das bedeutet, es wird ein Abschnitt betreten und sich darin bewegt. Entweder werden hier nun Schätze gefunden, wie Ausrüstung oder Gold, oder wir stoßen auf Gegner, derer wir uns im Kampf erwehren müssen. Letzteres ist die Kerngameplaymechanik von SteamWorld Quest, das heißt, wir werden während unseres Abenteuers die meiste Zeit kämpfen.
Diese Kämpfe laufen rundenbasiert ab, mit Unterstützung von Karten. Wobei man für Karten auch Aktionen sagen könnte, denn jede Karte steht im Grunde für eine Aktion. Obwohl unsere Gruppe aus 5 Charakteren besteht, können immer nur 3 von ihnen in einem Kampf agieren - und wir dürfen festlegen, welche das sein sollen. Wie das so ist, hat jeder Charakter ihm eigene Karten. Welche Karten einem Charakter im Kampf zur Verfügung stehen, bestimmen wir ebenfalls selbst: Jeder Charakter hat ein Gesamtdeck aus möglichen Karten, wobei viele dieser Karten auch mehrfach ausgewählt werden können. Allerdings gibt es ein 8-Karten-Limit, das besagt, dass die möglichen Karten in einem Kampf auf die von uns getroffene Kartenauswahl eingegrenzt wird. Wir dürfen pro Charakter also zwar weniger als 8 Karten festlegen, aber niemals mehr.
KAMPFBeginnt nun also ein Kampf, wählt das Spiel, gemäß unserer Vorabauswahl, die spielbaren Karten einer Runde aus. Denn von allen nun möglichen Karten stehen uns nur 6 parat. Und aus diesen 6 müssen wir die höcnstens 3 gewünschten Aktionen dieser Runde bestimmen. Nach dieser Runde verbleiben die uns gerade übergebenen aber nicht gespielten Karten auf unserer Hand und vom Deckstapel werden per Zufall neue Karten nachgezogen, damit wir wieder 6 Karten haben, von denen wir bis zu drei in dieser nun neuen Runde auswählen dürfen. Sollte das Deck sich dem Ende zugeneigt haben, aber der Kampf ist noch nicht vorbei, beginnt das Deck quasi wieder von vorn, sodass wir niemals vor dem Problem stehen, plötzlich keine Aktionen mehr ausführen können.
Wobei, und hier kommt das Geniale an SteamWorld Quest: Wenn wir die Charakter-Decks nicht mit Bedacht festlegen, können wir uns selbst sehr schnell handlungsunfähig machen. Wir haben nämlich auch noch die sogenannte DK-Leiste, die auf bis zu 10 DKs anschwellen kann. Jede "normale" Karte fügt beim Ausspielen jener Leiste einen DK hinzu, den wir für die speziellen Karten nutzen können. Denn diese speziellen Karten setzen DKs voraus. Oriks "Gezielter Schnitt" zum Beispiel kann nur gespielt werden, wenn wir 3 DKs auf Vorrat haben. Das ist zwar recht teuer, aber dafür setzt diese Aktion einem Gegner auch tüchtig zu.
Mit anderen Worten, wir können entweder relativ simple Aktionen ausführen, die uns je einen DK einbringen, oder wir können besondere Aktionen ausführen, die mindestens einen DK kosten, aber dafür einen Gegner mehrfach attackieren, viele Gegner auf einmal schädigen, oder unsere Gruppe heilen können, oder oder oder... Die Wahl liegt allein bei uns. Allerdings hat dies eben den Nachteil, dass, wenn nicht genug DKs vorhanden sind, wir eben diese Karten nicht spielen können. Und sollte das Spiel uns gerade viele oder gar ausschließlich DK-abhängige Karten übergeben, können wir nicht agieren. Deshalb müssen wir darauf acht geben, dass wir unser Deck so zusammenstellen, dass eine Balance zwischen DK-bringenden und DK-konsumierenden Karten gegeben ist.
Gelingt es uns zudem, in einer Runde dreimal ein und denselben Charaktere agieren zu lassen, darf eben dieser Charakter eine ihm besondere, vierte Bonusaktion ausführen. Welche das ist, hängt von der Waffe ab, die wir ihm vergeben haben. Bei Galleo etwa kann diese Bonusaktion die "Wächter"-Karte sein, die allen unseren Kämpfern einen Verteidigungs-Buff einbringt, und gleichzeitig allen einen Teil ihrer Lebensenergie heilt. Auch hier heißt es also aufpassen und weise wählen, statt einfach die stärksten Attacken zu nehmen.
Wie Decks, Waffen und Charaktere auf die uns bevorzugte Spielweise abgestimmt sind, kann das Vorankommen deshalb jederzeit entscheidend vereinfachen oder erschweren. Wer nun aber befürchtet, dass die Karten-Zufallsvergabe in einer Runde uns einen Kampf vermasselt, irrt. Dies stellt sich nur minimal als Hindernis heraus, da wir in jeder Runde bis zu zweimal eine Karte abwerfen und gegen eine neue - jedoch ebenfalls zufällig gewählte - Karte vom Deck ersetzen lassen können. Und wir haben durch die eigene Gestaltung des Decks ja in der Hand, wie hoch die Wahrscheinlichkeit bestimmter Karten ist.
100%-ANGABEGeboten werden vom Start weg drei Schwierigkeitsgrade, die "Knappe", "Ritter" und "Legende" heißen. Die Unterschiede liegen dann bei der Menge der Lebensenergie der Gegner, beziehungsweise der Wirkung ihrer Buffs und Resistenzen. Außerdem richten sie auf "Legende" mit einer Aktion mehr Schaden an als auf "Knappe". So kann es auf "Legende" durchaus vorkommen, den Save neuzuladen, wohingegen ich das bei "Ritter" nur einmal und auf "Knappe" nie tun musste. Erfahrene Spieler/innen sollten darum gleich auf "Legende" starten, wenn sie nicht einfach nur routiniert von Areal zu Areal laufen und Kämpfe durchexerzieren wollen.
Was mich zum eigentlichen Manko des Titels bringt: Es gibt recht wenig zu entdecken und die Kämpfe sind, auf den ersten beiden Stufen, nicht wirklich schwer. Jedes Areal verrät nach seiner Beendigung, wieviel Prozent aller möglichen Räume man gesehen und wieviele aller möglichen Schätze man eingesammelt hat, doch motiviert eine nicht erlangte 100%-Angabe nicht zum erneuten Versuch desselben Areals. Wir stoßen auf keinerlei Geheimnisse, Bonusräume, Abkürzungen oder etwas ähnliches. Es gibt nichts zu entdecken, außer Ausrüstung und Geld, doch das, was man eh nebenher zwangsweise aufgabelt, langt aus, um sich beim Händler hin und wieder auszurüsten, oder die Decks umzuorganisieren.
So lohnt es kaum, die Areale möglichst 100%ig abzugrasen. Ferner skillen alle Charaktere ihre Werte - mit jedem Level-up - ganz automatisch. Und da wir nach jedem zweiten bis vierten Kampf genug Erfahrungspunkte beisammen haben und unsere Crew nun einen neuen Level-up erreicht, werden wir zügig stärker, ohne dass wir selbst daran beteiligt wären. Wir können nur durch Ausrüstung die Stärke, Lebensenergie oder was auch immer zusätzlich ein wenig erhöhen.
Wo also SteamWorld Dig 2 spielerbestimmtes Charakterskilling und Controller-Geschick beim Durchstreifen der Umgebung verlangte, und wo SteamWorld Heist durch umsichtiges Ausrüsten und vor allem Positonieren sowie Treffsicherheitsnotwendig in jeder Gefechtsrunde mit Spannung zu glänzen wußte, fehlt es bei SteamWorld Quest an eben diesen Punkten. Es gelingt ihm trotz seines im Kern sehr guten Gameplays nicht, ständig wieder neue Ideen und Kreativität im Umgang mit dem Kartendeck zu fordern. Die Kämpfe können auf "Legende" zwar länger dauern und schwerer sein, aber sie sind auch hier selten spannend.
TECHNIKDas altbekannte SteamWorld-Look-and-Feel ist natürlich auch in SteamWorld Quest: Hand of Gilgamech wieder vorhanden. Und das bedeutet - natürlich! -, dass es hier absolut nichts zu bemängeln gibt. Die Comicgrafik ist detailliert und sauber animiert, die Musik ist eine Ohrenweide und zumeist ruhig und getragen; während der Kämpfe wird es etwas flotter und hohe E-Gitarren-Töne sprenkeln sich hin und wieder dazu, ohne, dass es richtig rockig werden würde. Kurzum: Grafik und Musik sind einfach super.
Die Spielzeit erstreckt sich über etwa 15 bis 17 Stunden, und es sind 20 bis 25, wenn man alle Areale auf je 100% durchstreift. Das Gameplay wird dabei währenddessen durch die lustigen, aber nie albernen Dialoge aufgelockert, wobei ich unerwartete oder Gerade-nochmal-davongekommen-Momente leider zu selten erlebte.
FAZITSteamWorld Quest: Hand of Gilgamech ist, wie nicht anders zu erwarten, gelungen. Die zugrundeliegende Idee ist sehr gut, die Story unterhaltsam und bisweilen witzig, die Charaktere sind liebenswert. Die Spieltiefenbrillanz der beiden SteamWorld-Geschwister Dig 2 und Heist kann Quest trotz seiner erstaunlichen Flexibilität der möglichen Charakter- und Kartenkonstellationen aber leider nicht ganz erreichen, und der Schwierigkeitsgrad könnte eine Spur knackiger sein.