Klassische Pen and Paper-Rollenspiele wie "Dungeon and Dragons" haben den unliebsamen Ruf inne, schwer zugänglich, langatmig und irgendwie auch uncool zu sein. Behold Studios brachte das Konzept in die digitale Form, wo man sich weder groß einlesen, noch andere Mitspieler suchen muss, denn das erledigen selbsterstelle Avatare und NPCs, darunter auch ein virtueller Spielleiter.
Ohne Stift und PapierZu Beginn des Spiels erstellt man sich Spieler, die jeweils einen Charakter im Rollenspiel verkörpern. Dabei muss zunächst aussuchen, was das für ein Spieler ist, bspw. ein hartarbeitender Geschäftsmann, ein muskelbepackter Sportler, eine verwöhnte Göre, usw. und man dann für diese eine Charakterklasse aussucht, typische Beispiele wären Kleriker, Schurke oder Paladin. Sowohl die Spieler, als auch die Charakterklassen haben Einfluss auf die Eigenschaften und Fähigkeiten. So hat der Sportler von sich aus erhöhte Angriffskraft für seinen Charakter, wodurch er besser auf offensive Klassen zugeschnitten ist. Der Geschäftsmann erhält hingegen 10% mehr Erfahrungspunkte und steigt dadurch schneller Stufen auf. Die Auswahl an Spielern und Klassen ist nicht gering und bietet genügend Abwechslung, um auch mal verschiedene Durchläufe auszuprobieren.
Anfangs startet man noch lediglich mit zwei Spielern, im Laufe des Spiels lassen sich drei weitere Spieler mit Goldmünzen an den Tisch dazukaufen. Ist der Tisch voll, so kann man in der Schänke Charaktere zurücklassen, um Platz für neue zu schaffen. Dies dürfte spätestens dann der Fall sein, wenn man neue Charakterklassen freischaltet, die wesentlich bessere Fähigkeiten vorzuzeigen haben, als die ursprünglichen Klassen.
Weniger Rolle, ein bisschen mehr SpielDie Story in dem Spiel ist nicht sonderlich nennenswert. Die zwei Charaktere wachen ohne Erinnerungen in einem Verlies auf, kommen dann ins Startdorf (das übrigens wirklich so heißt) und bekämpfen verschiedene Plagen, die das Königreich heimsuchen. Es gilt, mit der Heldentruppe Quests von NPCs anzunehmen, um Monster zu beseitigen, Räubergruppen unschädlich zu machen oder Flüche zu bekämpfen, bis man dann irgendwann den Obermacker besiegen muss.
Ihr lest, die Geschichte ist gefüllt mit Klischees und Stereotypen, so weit das Auge reicht. Dies ist bewusst so gestaltet worden, um einen Wiedererkennungswert aus typischen P&P-Rollenspielen zu erzielen. Tatsächlich sind sich die Entwickler darüber so sehr bewusst, dass sich das Spiel in diesen Punkten gar nicht ernst nimmt. Der Spielleiter begleitet die Spieler durchaus narrativ, in typischer Erzählung aus der zweiten Person. Begriffe wie "Startdorf" (eng. Default Village) zeigen aber, dass diese Elemente eher dazu dienen, durch den Kakao gezogen zu werden. Die Spieler werfen auch öfter Meta-Kommentare während des Spiels ein, die die Stimmung ein wenig auflockern. So werden süße Mädchen verlangt, die Geschichte hinterfragt, und willkürliche Spielleiter-Entscheidungen getroffen - alles im Rahmen der Klischees und Stereotypen, die man eben aus solchen P&P-Runden kennt.
Das Gameplay ist genauso einfach gehalten, wie die Geschichte und die Charakter-Erstellung. Während man an einen Ort weilt, kann man entweder kämpfen, nächtigen, einkaufen, reisen oder eine Quest starten. Es gibt also kein freies Herumlaufen, sondern man muss dem Spielleiter stets sagen, was man machen will: Eben wie in einem echten P&P-Rollenspiel. Dadurch, dass der Erkundungs-Aspekt wegfällt und die Geschichte eher den Ball flach hält, baut das Spiel also neben seinen Witzen hauptsächlich aufs Kämpfen auf. Die Scharmützel laufen nach klassischer Rundenkampf-Manier ab: Man wählt die Aktion des Charakters, die dann auch sogleich ausgeführt wird. Treffer- und Magiepunkte werden anhand von Leisten dargestellt, für Zahlen muss man den Status des Charakters überprüfen. Die Kämpfe sind nicht sonderlich anspruchsvoll, da keine tiefergehenden Mechaniken existieren und jede Charakterklasse nur über drei anwendbare Fertigkeiten verfügt, nebst Angreifen, Verteidigen und der Anwendung von Gegenständen. Komischerweise kann man bei fast allen Kämpfen einstellen, wie groß die Gegnergruppe ausfällt. Dadurch kann man eigentlich immer auf der sicheren Seite spielen, indem man möglichst wenig Gegner auf einmal bekämpft. Das Leveln dauert dadurch zwar länger, aber dadurch muss man dann auch garantiert keine Goldmünzen hinblättern, um Charaktere wiederzubeleben. Eine etwas fragwürdige Gamedesign-Entscheidung, wie ich finde, da sie einem das Spiel doch sehr einfach machen kann.
Apropos Goldmünzen: Die erhält man durch Kämpfe und Erfüllung von Quests. Mit ihnen lässt sich so ziemlich alles kaufen: Ausrüstung, Wiederbelebung, weitere Spieler und sogar Raumausstattung, die dann auch Spielstand-übergreifend wirkt. Bei der Raumausstattung kann man sich beispielsweise Snacks kaufen, die temporär Werte oder EP-Erhalt erhöhen. Es gibt aber auch permanente Boni, beispielsweise kann man durch gewisse Deko-Gegenstände die Anzahl an maximalen Spielern erhöhen oder das garantierte Würfelglück steigern. Weitere erwerbbare Gegenstände sind alternative Tische, Wände, Türen, Möbel, aber auch Haustiere und neue Spielleiter. All diese Dinge haben verschiedene Auswirkungen aufs Rollenspiel, deren Effekte sich aber auf den Meta-Bereich beschränken. Die Geschichte an sich bleibt unberührt davon - ein wenig schade eigentlich, wo doch schon die Spieler an sich keinen Einfluss auf die Dialoge haben.
Mein größter Kritikpunkt dürfte wohl auch sein, dass neben dem etwas flachen Gameplay auch keine Entscheidungen getroffen werden, die etwa den Verlauf der Geschichte beeinflussen können. Ebenso wenig spielen Würfelergebnisse eine Rolle, denn die bestimmen meist nur, ob es zu einem Überraschungskampf kommt oder nicht. Im Prinzip bleibt das Spiel dann hauptsächlich eine Aneinanderreihung an Kämpfen und P&P-Witzen. Diese zwei Elemente sind durchaus unterhaltsam, können jedoch auf Dauer zu repetitiv werden, um Langzeitmotivation zu schaffen.
Bits und BeepsDie Grafik ist in einem recht hübschen comic-haften 16-bit-Stil gehalten. Ganz ist es so natürlich nicht, weil einige Animationseffekte dafür zu aufwendig gestalteten worden sind, aber insgesamt ist die Grafik konsistenter als beispielsweise bei Golf Story. Zwar sind die Sprites und Hintergründe nicht unbedingt einzigartig, aber sie zeugen doch von viel handgemachter Liebe. Die Gestaltung der Locations hat es mir dann doch recht früh auch angetan und ich hatte trotz der eingeschränkten Erkundung Spaß daran, neue Orte im Spiel zu bereisen.
Die Musik hingegen setzt auf 8-bit-Gepiepse. Mir gefallen die meisten Melodien, aber ich finde es irgendwie schade, dass man den Soundfont nicht ebenfalls auf 16-bit angehoben hat. Die Soundtracks zu SNES-Zeiten sind für mich immer noch deutlich distinktiver und auch memorabler, als es zu NES-Zeiten der Fall war. Und dies ist auch bei diesem Spiel der Fall: Die Musik ist nur okay und bleibt nicht im Ohr hängen, nach dem man es gespielt hat. Ein bedauernswerter Verlust, wenn man bedenkt, wie gut das mit der visuellen Gestaltung hätte zusammenpassen können.
Was die Steuerung betrifft, so merkt man stellenweise deutlich, dass das Spiel ursprünglich für touchbasierte Smart-Geräte erschienen ist. Einiges ist nicht ganz optimiert: So ist die Menüführung manchmal sperrig, weil man instinktiv eine andere Taste drückt, als man intuitiv gewohnt ist. Auch setzt sich der Cursor während der Kämpfe immer auf die Fähigkeiten-Auswahl zurück. Wenn man eben mal schnell mit seinen Charakteren angreifen möchte, geht das dann leider nicht. Da hilft es auch nicht, dass der Cursor quasi unsichtbar ist, da die entsprechenden Buttons dann nur leicht eingedrückt erscheinen. Seltsamerweise lässt sich das Spiel nicht spielen, ohne, dass Controller aktiv angeschlossen sind, selbst wenn man die ursprüngliche Touch-Steuerung verwenden will. Eine übersehende Abfrage, die man hätte überspringen können?
Ein großes Manko, das mir beim Spielen aufgefallen ist, ist die deutsche Übersetzung. Einige Grafiken blieben unübersetzt, aber die sind mir gar nicht so sehr ins Auge gesprungen. Viel gröber sprangen mir die Grammatikfehler ins Auge, die mir das Gefühl vermitteln, man hätte die Texte einfach durch den Google-Translator gejagt. Auch komisch wirken einige Begriffe, die im Deutschen gar nicht so viel Sinn ergeben: Beispielsweise wird "Blume" als Charakterbezeichnung verwendet, obwohl die Assoziation des Begriffs mit einem stillen, zierlichen Mädchen nur im englischen mit "Flower" verstanden wird. Im Deutschen wäre "Mauerblümchen" vielleicht noch angebrachter gewesen. Und das zieht sich dann durchs ganze Spiel. Manchmal musste ich so oft ins Englische umdenken, dass es für jemanden wie mir wahrscheinlich entspannter gewesen wäre, das Spiel einfach gleich auf Englisch zu spielen. Schade, dabei sind beispielsweise die Charakter-Dialoge ganz anständig übersetzt worden - nur eben nicht die Gameplay-Texte.
FazitKnights of Pen & Paper bietet eine abgespeckte Version der RL-Variante dieser Rollenspielart dar, die sich nicht nur allein, sondern auch leicht spielen lässt. Der Charme durch die Präsentation, Dialoge und Anspielungen ist auch definitiv geboten. Allerdings ist es dann an manchen Stellen doch zu flach, um den Spieler besonders lange bei Stange halten zu können. Da hätte ich mir dann doch entweder tieferes Gameplay oder mehr Interaktionsmöglichkeiten gewünscht, und das Spiel wäre dennoch simpel genug für Einsteiger geblieben. Dadurch, dass beide Elemente nicht besonders ausgearbeitet sind, verkommt das Spiel trotz seiner Originalität dann irgendwann zu einem repetitiven Prozess, in dem nicht besonders viel spielerische Abwechslung geboten wird. Wenn man den Stil des Spiels wirklich mag und auch gerne RPG-Grinding betreibt, bei dem man nicht viel nachdenken muss, kann man sich etwa 5% ~ 10% bei meiner Spielspaßwertung mit dazu rechnen. Verschenktes Potential wird jedoch stets wie ein riesiger Elefant bei dem Spiel im Raum stehen.