Bury me, my Love

Bury me, my Love handelt von einer fiktiven, syrischen Flüchtenden mit Namen Nour. Ihre Geschichte wurde jedoch von wahren Geschehnissen und Erzählungen realer Begebenheiten inspiriert. Dazu hat das Entwicklerteam lange recherchiert und insgesamt 19 mögliche Enden mit verschiedenen Verläufen zur Verfügung gestellt, wobei insgesamt 50 verschiedene Orte besucht werden können. Es handelt sich also um viele mögliche Einzelschicksale.

Man selbst steht ihr als Ehemann Majd mit Rat zur Seite. Er und Nour leben seit ihrer Geburt in Syrien und sie erlebte den Krieg seit 2010 in Homs. Als ihre Schwester stirbt, entscheidet sie zu fliehen, mit dem Bestreben, in Europa ein besseres und sicheres Leben führen zu können. "Begrabe mich, mein Schatz" ist ein arabisches Sprichwort, welches man zu seinen Geliebten sagt und es bedeutet metaphorisch, dass man vorsichtig auf seiner Reise sein soll, bzw. nicht vor demjenigen sterben soll, der es ausspricht. Deshalb sind die Entscheidungen und Ratschläge, die Majd ihr gibt, essentiell dafür, welches Schicksal Nour widerfahren wird. Ihr Plan ist natürlich, dass Majd ihr später folgt, wenn sie erfolgreich Asyl an ihrem Wunschziel beantragen konnte. Doch zunächst arbeitet er im Laden seines Vaters und unterrichtet nebenbei, unter gefährlichen Bedingungen, in seinem Heimatland.

Zum Spiel selbst ist nicht viel zu sagen, es ist sehr simpel aufgebaut und stellt einen Messenger auf einem Smartphone dar. Man führt darauf also ständig eine Konversation miteinander. Wenn man L drückt, erscheint eine GPS-Karte, auf der man jederzeit sehen kann, wo sich Nour gerade befindet. Die Karte ist sehr detailgetreu, und meist sind es die Hauptstädte der einzelnen Länder.

Je nach Verlauf bekommt man noch weitere Karten zugeschickt, die beispielsweise Minenfelder im Raum Kroatien/Ungarn aufzeigen. Per +/- kann man dann noch einige Optionen einstellen, wie die Sprache. Im Hauptteil selbst kann Majd oft eine von zwei Antworten oder einen von drei Emojis auswählen, um mit seiner Frau zu chatten. Manchmal verfolgt man den Dialog jedoch rein passiv, denn Majd antwortet automatisch. Dabei hat man auf alle modernen Funktionen eines Smartphones geachtet, wie etwa den Mini-Ladebalken mit den drei Pünktchen, das kleine Papierfliegersymbol zum Posten, oder auch die Info-Töne.

Die Entwickler haben sogar darauf geachtet, dass es etwas länger dauert, wenn Nour einen längeren Text verfasst oder nachdenkt, sodass dann der Ladebalken z.B. dreimal auftaucht. Sowohl beim GPS als auch im Chat gibt es minimale Fehler, wie z.B., dass das GPS-Symbol auf einmal woanders ist, wenn man die Karten ranzoomt oder auf einmal einige Teile des Chats verschwinden, wenn man hoch- und runterscrollt. Meistens tauchen diese aber nach einiger Zeit wieder auf. Andererseits macht es das Ganze authentischer, denn all das gibt es immer noch auf besagten Geräten und deshalb bin ich auch nicht sicher, ob das noch gepatcht wird, oder genauso beabsichtigt ist. Schade ist allerdings, dass, wenn einmal ein neuer Tag angebrochen ist, man die vorherigen nicht mehr nachlesen kann, obwohl die Tage im Chatverlauf verdeckt angezeigt werden. Auch kann ich bei solch einem Spiel überhaupt nicht nachvollziehen, dass nicht auch die Touch-Steuerung der Switch implementiert wurde, das wäre für solch ein Genre perfekt und naheliegend - gerade im Bezug auf die Smartphone-Imitation.

Nervig ist leider auch, dass Nour immer wieder von vorn beginnen muss, wenn sie eines der 19 möglichen Enden erreicht hat. Was einerseits sinnvoll ist, andererseits dauert es sehr lange, bis man zum nächsten Punkt gelangt. Man hätte also die Möglichkeit anbieten können, dorthin zu springen, wo wichtige Entscheidungen getroffen werden müssen, sofern man sie bereit vorher einmal getroffen hat. Alternativ wären Zwischenspeicherungen ebenfalls schön gewesen.

Nour befindet sich auf einer sehr gefährlichen Reise, oft in lebensbedrohlichen Situationen und man hofft und bangt. Wo ist sie jetzt? Was tut sie als nächstes und wie kann ich ihr dabei behilflich sein? Warum schreibt sie denn jetzt nicht, was ist passiert? Dabei bekommt man natürlich auch faktische und historische Hintergrundinformationen zum Krieg in Syrien, einen Ausschnitt der politischen und gesellschaftlichen Reaktionen, auch der einzelnen Länder, die bis heute andauern. Das Spiel ist also aktueller denn je. Und je nach Zeitspanne erfährt Nour akut Hilfe oder stößt auf Ablehnung oder Grenzschließung. Und natürlich ist auch die Beziehung zwischen Nour und Majd sehr real nachgeahmt, denn sie posten natürlich für unsere Zeit üblich ab und zu Selfies von sich mitsamt verschiedener Orte und Umgebungen, an denen sie sich gerade befinden.

Fazit
Bury me, my Love ist viel mehr eine Erfahrung, die spannend, beängstigend, bedrückend, informativ, belehrend, zum Nachdenken anregend ist, aber manchmal auch lustig oder nervend sein kann. Insgesamt aber möchte ich keine Bewertung für Bury me, my Love geben, da ich es als Spiel höchstens mittelmäßig bewerten würde. Doch das würde der Idee, dem Produkt und der Erfahrung nicht gerecht werden. Dazu ist es viel zu wertvoll für die hierdurch gebotene Aufklärung, vor allem für 4,99€. Bury me, my Love sollte man unbedingt mal ausprobiert haben!