Cover: Bug Fables: The Everlasting SaplingIhr liebt die ersten beiden Paper-Mario-Abenteuer und findet, dass die nachfolgenden Titel der Reihe nicht so prall waren? Dann werft unbedingt einen Blick auf Bug Fables: The Everlasting Sapling. Denn das ist verflixt nah an einem klassischen Paper Mario dran.

Wir sind die drei Insekten: Vi, Kabbu und Leif. Niemand in diesem Trio ist der alleinige Hauptcharakter, weshalb wir bei der Erkundung der Welt, oder auch während eines Kampfes, beliebig zwischen ihnen wechseln können. Beim Wandern von A nach B kommt es immer wieder darauf an, mit Objekten in der Umgebung zu interagieren, um Tore zu öffnen, Plattformen zu bewegen, Geräte zu aktivieren und so weiter. Vi zum Beispiel hat einen Bumerang, mit dem unter anderem Schalter aktiviert werden können. Kabbu ist in der Lage, selbst schwere Dinge um- oder herumzustoßen, um damit vielleicht einen Schalter zu betätigen, oder sie als Stufe einzusetzen. Und Leif ist es möglich, Gegner oder Wasser einzufrieren. Das sind allerdings auch nur ihre Grundfähigkeiten, es kommen mit der Zeit weitere hinzu.

Aber Vi, Kabbu und Leif treffen auch auf unzählige Bewohner in diversen Gebieten. Ameisen, Wespen, Bienen, Käfer, Termiten, Grillen... Viele von ihnen tauschen sich nur ein wenig mit unserer Heldentruppe aus, plaudern ein bisschen, oder helfen uns weiter, in der Story voranzukommen. Aber einige bitten auch um Hilfe, weil sie beispielsweise irgendwas für sie wichtiges verloren haben, sie möchten, dass wir für sie etwas von hier nach dort transportieren, oder was auch immer es sonst ist. All diese Nebenquests sind nicht notwendig für das Meistern des Abenteuers, sie bringen uns aber Belohnungen, wie Geld oder Buff- und Heil-Items.
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Auch gibt es Medaillen, die exakt den Orden aus Paper Mario entsprechen. Um Medaillen anlegen zu können, benötigen wir MP (Medal Points). Je mehr MP wir haben, desto mehr Medaillen können wir gleichzeitig anlegen, um uns umso mehr Vorteile für Kampfsituationen zu verschaffen. Darunter der Boost der Lebensenergie, das Verstärken von Angriffen oder der Verteidigung und je Menge anderer nützlicher Dinge.
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Dann gibt es HP (Health Points - Lebenenergiespunkte) und TP (Teamwork Points - quasi Blütenpunkte). HP gehören den Charakteren jeweils individuell, während sie das TP-Konto gemeinsam nutzen. HP brauchen wir, um Angriffe von Gegnern standhalten zu können und können durch Items wieder zurückgewonnen werden. TP sind wichtig, um Spezialaktionen auszuführen. Jede Spezialaktion kostet 1 oder mehr TP. Und da unser Pool an TP recht begrenzt ist, sollten wir unsere Spezialaktionen mit Bedacht einsetzen. Zwar lassen auch TP wieder durch Items auffüllen, aber der Einsatz von Specials ist mitunter so teuer, dass ein Item dann so gerade eben für ein weiteres Special ausreicht.
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In Kämpfen zählt deshalb ganz besonders unsere Strategie, also wie wir vorgehen. Vi, Kabbu und Leif unterscheiden sich nämlich sowohl in ihren Basics als auch in ihren Specials. Vi kann mit ihrem Bumerang auch fliegende Feinde angreifen oder diese mehrfach treffen. Kabbu, das Kraftpaket, ist für das Grobe zuständig, macht oft viel Schaden, kann aber nur Gegner am Boden erwischen - dafür aber ist er in der Lage, Vi oder Leif wiederzubeleben, sollten ihre HP im Kampf auf 0 fallen. Und Leif, gewissermaßen der Magier der Truppe, kann mit seinen Eis- und Schutzfähigkeiten bei Bedarf mehrere Gegner auf einmal erwischen, oder uns vor feindlichen Angriffen behüten.
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Wir können, ganz Paper-Mario-like, aber auch durch gutes Timing unsere Angriffe oder unsere Verteidigung verstärken, indem wir im richtigen Augenblick zum Blocken den A-Button, oder zum Angreifen die jeweils notwendige Taste drücken. Je nach Aktion sind sogar Timings und Tastenfolgen gefragt, die immer wieder neu zusammengewürfelt werden, sodass sich nicht ein- und dasselbe Muster einschleift, sondern wir konstant wachsam bleiben müssen.
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Ist ein Kampf vorbei, gibt es Erfahrungspunkte - nach demselben Prinzip wie in den ersten beiden Paper Marios. Jeder besiegte Gegner hinterlässt EP (Exploration Points). Für jeweils 100 davon, dürfen wir allen Charakteren je einen HP mehr verpassen, die Medal Points um 3 steigern, oder die Teamwork Points um 3 erhöhen. So liegt es in unseren Händen, wie sich die Truppe entwickelt, beziehungsweise, auf welche ihrer Fähigkeiten und Eigenschaften sie sich am meisten verlassen können sollen.
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Die Fähigkeiten ihrerseits werden im Laufe des Abenteuers häppchenweise mehr, sodass es gerade anfangs immer wieder Passagen gibt, die wir eindeutig noch nicht in Stadium X erkunden dürfen, wir uns aber schon einmal für später im Hinterkopf behalten.
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Nun, wie ich es bereits direkt andeutete und mehrfach indirekt heraushob: Bug Fables ist DAS Paper-Mario-Spiel, nachdem Fans sich schon seit Jahren sehnen. Das Gameplay ist mit den beiden ersten Teilen der Reihe nahezu identisch, basiert aber selbstverständlich auf einer gänzlich anderen Story, mit im Ansatz ähnlichen, aber in der Durchführung unterscheidbaren Rätseln, von denen es im Wesentlichen drei Arten gibt: Mit Vis Bumerang Schalter zu aktivieren, damit sich Plattformen bewegen, mit Kabbus Kraft Blöcke hin- und herstubsen, damit sie Schalter beschweren, und mit Leifs Gefrier-Zauber Wassertropfen oder -fontänen zu Eis erstarren lassen, um sie quasi als Treppen verwenden zu können.
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Sicher, hin und wieder müssen auch andere Problemlösungsansätze gefunden werden, aber die überwiegende Mehrheit der Rätsel wird auf die drei genannten Wegen gelöst. Das ist auch der erste der drei Makel an Bug Fables: Die Rätsel könnten einerseits abwechslungsreicher sein, andererseits könnten sie weniger umständlich sein. Denn gerade das Zielen mit Vis Bumerang auf Schalter benötigt häufig zwei, drei oder gar vier bis fünf Anläufe. Es sind dann immer wenige Zentimeter, um die man daneben trifft, und weswegen Vi umpositioniert werden muss. Dieserlei Dinge waren in Paper Mario spieler/innenfreundlicher umgesetzt. Auch gibt es drei, viel Rätsel, die ein wenig verquer sind, weil sie sich nicht weiter erklären. Ein gutes Beispiel dafür ist das Erlangen einer der Key Cards im Bee Kingdom, wo zwei Schalter durch Eisblöcke aktiviert werden müssen, um eine höherliegende Plattform zu erreichen. Oben ist aber auch eine Tür, die als solche nicht unbedingt zu erkennen ist und die offenbar nicht geöffnet werden kann. Die Lösung ist am Ende total simpel, aber auf eben jene Lösung muss man kommen. Ich jedenfalls kam nicht drauf, schaute dann im Web, wo ich die gesuchte Key Card finden kann und fühlte mich dann vom Spiel veräppelt, denn um den Zusammenhang zwischen Tür und und Schalter wahrzunehmen, muss man oben im Bild einen sehr kleinen Bereich beachten.
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Der zweite Makel an Bug Fables ist, dass es bisweilen viel Text zu lesen gibt. Die Dialoge haben durchaus Charme und Witz, gar keine Frage, aber ich ertappte mich immer wieder dabei, wie ich dazu überging, mehrere Texttafeln am Stück ungelesen wegzudrücken - um Zeit zu sparen. Dadurch geschah es aber, dass ich diverse wichtige Hinweise übersah, die für das Weiterkommen unabdinglich sind. Wohin soll ich nun reisen? Mit wem sprechen? Was ist hier vielleicht noch zu tun? Warum finde ich nirgendwo irgendeinen Weg, den ich bislang noch nicht beschreiten konnte? Oder hatte ich irgendeine wichtige Information unbeachtet weggedrückt? Es gab drei-, vielmal eine Situation, in der ich 60-90 Minuten ziel- und planlos alles mehrfach ablatschte, bis ich dann keine Lust mehr hatte und eben im Internet schaute, was zu tun sei. Auch hier hatte Paper Mario immer Möglichkeiten, dass man nicht allzu sehr hängen blieb, wenn man irgendeinen Hinweis überlas oder nicht zu deuten wusste.
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Dritter Makel ist, Bug Fables ist nicht auf Deutsch, sondern einstellbar auf Englisch, Spanisch oder Japanisch. Da es viele Dialoge gibt, sollte also eine der drei Sprachen wenigstens sehr passabel beherrscht werden, sonst bemerkt man die Nuancen der Bewohner der Bug-Fables-Welt nicht und kommt erst recht nicht in der Story voran. Wer allerdings zum Beispiel Englisch versteht, is in for a treat! :)
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Auf der anderen Seite bietet Bug Fables eben so viele Dinge aus dem Universum der ersten Paper Marios, dass es leicht fällt, über diese drei Punkte hinwegzusehen. Darunter zum Beispiel der Duellkerker, ein zentraler Oberwelt-Hub, mit dem man leicht und schnell zwischen den bislang bereisten Gebieten wechseln kann, ein Gegnerkompendium, Itemkompendium, eine ausführliche Nebenquestlog und und und... Je länger man spielt, desto mehr Gemeinsamkeiten offenbaren sich, und Bug Fables versucht auch gar nicht erst, seine beiden Inspirationsquellen zu verschleiern. Die Anleihen sind klar und deutlich zu erkennen - und die Liebe zum Detail ebenfalls...
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TECHNIK
...denn das Team von Moonsprout Games hat seine Hausaufgaben gemacht. Grafik und Sound sind auf hohem Niveau und der papierne Look und die liebevoll gezeichneten und animierten Objekte und Chakatere vertragen sich hervorragend mit den Klangeffekten und ohrwurmigen Musiken.
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Die Steuerung erlaubt das Bewegen via linkem Analogstick oder Steuerkreuz und die übrigen Aktionen lassen sich problemlos bedienen, da vor allem A und B am häufigsten genutzt werden. Nur, wie schon erwähnt, das Zielen mit Vis Bumerang klappt oft nicht auf Anhieb. Nichts, was die Wertung nennenswert reduzieren würde, aber während des Spielens wundert man sich dann doch oft über die Kleinlichkeit der Kollisionsabfrage.
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Der Spielumfang ist reichlich, denn mit rund 30 Stunden für das Abenteuer, plus 10 bis 12 Stunden für die (optionalen) Nebenquests, ist man gut bedient. Der Schwierigkeitsgrad ist für Einsteiger/inen, genau richtig, für genreerfahrene Gamer/innen akzeptabel, lässt sich aber durch die fast zu Anfang des Spiels erhältliche "Hard Mode"-Medaille (die keine MP verbraucht, also "kostenlos" getragen werden kann) nennenswert steigern. Der Hard Mode bezieht sich allein auf die Kämpfe - also die Gegner machen mehr Schaden und halten unseren Angriffen besser stand (lassen aber zur Belohnung auch mehr EP fallen) - und kann jederzeit beliebig durch An- oder Ablegen der Medaille aktiviert oder deaktiviert werden.
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FAZIT
Ich lege mich jetzt schon fest: Bug Fables: The Everlasting Sapling ist Ende 2020 garantiert in meiner "Beste Spiele des Jahres"-Liste enthalten, davon bin ich überzeugt. Ja, die Rätsel könnten etwas vielfältiger sein, es gibt viel Text zu lesen und auf "Deutsch" ist es auch nicht einstellbar, aber die Gesamterfahrung von Bug Fables: The Everlasting Sapling ist insgesamt so charmant, witzig, unterhaltsam und spannend, dass ich sehr, sehr viel Spaß mit Vi, Kabbu und Leif hatte. Bitte schnell einen zweiten Teil, liebes Moonsprout Games-Studio!
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Und, Nintendo, so muss das Gameplay von Paper Mario sein! So, seht ihr!? So!
Jörg Singleplayer: 88%

Verfasst von Jörg am 10.06.2020,
bemustert durch DANGEN Entertainment
für bis zu 1 Person/en
Release am 28.05.2020