Es ist nicht unüblich, dass Indie-Games seltsame Titel haben. Man gewöhnt sich allerdings daran, und sie stechen irgendwann nicht mehr heraus, fallen nicht mehr ins Auge. Bei Born of Bread wäre mir das auch fast so gegangen. Es war die kleine Covergrafik, die mich neugierig machte, denn alles sah nach einem Spiel aus, dass stark an Paper Mario erinnert. Und da bin ich natürlich sofort dabei!
Ich möchte von der Story von Born of Bread nicht viel vorweg nehmen, aber es geht im Kern darum, dass ein Bäcker einen Brotteigling mehr oder weniger zufällig in ein lebendiges Wesen backt, sodass es ein Junge sein könnte. Dieser Junge heisst Stulle (im Original "Loaf") und natürlich muss er ein Abenteuer bestehen. Das aber nicht allein, denn er lernt Freunde kennen, die ihn begleiten. Natürlich haben diese Begleiter besondere, ihnen eigene Fähigkeiten. Der eine kann Schutt aus dem Weg räumen und so neue Pfade oder gar Schätze freilegen, der nächste kann ansonsten nur schemenhaft, gerade noch erkennbare Plattformen verfestigen, sodass Stulle über sie an neue oder eigentlich unerreichbare Orte gelangen kann. Natürlich können unsere Freunde aber auch im Kampf spezielle Aktionen ausführen, die sich im Laufe der Zeit über Skilltrees abwandeln oder erweitern lassen. Da sind von extra starken Angriffen, Heilung oder Attacken, die auf alle Gegner gehen, viele verschiedene Manöver dabei. Selbst Stulle bekommt immer mehr Waffen und somit mehr Angriffsaktionen dazu.
Um es kurz zu machen, Born of Bread spielt sich sehr wie die ersten beiden Paper-Mario-Abenteuer. Dazu ist der Plot unterhaltsam und witzig erzählt, die Grafik ist geil, die Musik schlichtweg überragend, die Charaktere (spielbare und NPCs) sind auf ihre jeweils eigenen Weisen liebenswert! Klingt nach einem Must-Have, nicht wahr?
Nun, ja und nein. Born of Bread ist gelungen und bekommt von mir auch eine Kaufempfehlung. Es sind aber die Details an so manchen Stellen. Obwohl es beispielsweise in den Kämpfen viele Aktionen gibt, werden die allermeisten von ihnen zu ähnlich ausgeführt: Im richtigen Moment A drücken, den Stick immer wieder links-rechts-links-rechts bewegen, eine eingeblendete Tastenfolge eingeben... Sehr viele Angriffe verlangen dieselbe Art Kommando und sonderlich schwer sind sie auch nicht. Ferner lernt man schnell, dass manche Angriffe im Vergleich zu anderen viel Schaden anrichten, und das oft sogar an allen Gegnern gleichzeitig. Warum also die weniger starken überhaupt in Erwägung ziehen? Außerdem sind die Kämpfe nicht wirklich schwer, auch nicht gegen die Bosse. Selbst Bosse habe ich allesamt in 3-6 Runden abgefrühstückt; knapp wurde es wirklich nie.
Das lag unter anderem auch daran, dass ich scheinbar stets überlevelt war. Durch Kämpfe bekommt man Erfahrungspunkte. Bei je 100 davon steigt man um einen Level, und kann dann wahlweise LP (Lebenspunkte), WP (Aktionspunkte) oder RP (Spezialattackenpunkte) erhöhen. Ich habe ausnahmslos immer die WP gesteigert, alles andere war einfach nicht notwendig. Die Gegner machten nie genug Schaden, als dass sie mich mit einem Angriff ausknocken hätten können, und im Zweifel habe ich meinen Partner angewiesen, mich zu heilen. Ansonsten habe ich einfach ständig meine gerade stärksten WP-Angriffe ausgeführt. Hinzu kommt allerdings, dass meine Waffen immer zahlreicher wurden - und somit meine Angriffe immer mächtiger. Die Brandbombe etwa attackiert alle Gegner gleichzeitig und richtet bei allen beachtlichen Schaden an. Oder der Glut-Hammer, der selbst Bosse wie nix' wegputzt, weil sein Schaden exorbitant ist. Mit fortlaufender Spielzeit werden also zwar auch die Gegner stärker - aber ich ebenfalls. Aber nicht auf dem Niveau, dass ich mit den stärkeren Gegnern mithalten kann, sondern, dass ich diese eigentlich noch leichter besiege, als jene Gegner zu Beginn des Spiels - weil mir zu Beginn des Spiels eben noch all diese Waffen fehlten.
Bei einem Level-up kann man außerdem noch auswählen, ob man seinen Rucksack vergrößern möchte, oder das, was in Paper Mario quasi die tragbaren Orden wären. Beides war aber nicht notwendig. Der Platz in meinem Rucksack hätte zwar nie alle meine Waffen auf einmal aufgenommen, aber ich nutzte eh immer nur dieselben 2-3 Waffen. Und die Orden habe ich ausgerüstet, weil es möglich war, nicht, weil es nötig wäre. Letztlich wird man durch die Orden eigentlich nur noch mächtiger (mehr LP haben, mehr WP haben, weniger WP verbrauchen, mehr Schaden verursachen usw.).
Ebenfalls gibt es Blätter, die man aufsammeln kann. In Paper Mario entspricht das Münzen. Zuerst kann man maximal 200 Blätter tragen, später immer mehr. Ich war aber andauernd am Blattlimit, weil ich nie welche ausgeben musste. Ich hatte immer alles, was ich brauchte, bald sogar viel mehr als nötig; also musste ich auch nichts kaufen. Nur ganz, ganz selten muss man jemandem Blätter geben, damit z.B. ein Weg frei gemacht wird. Das einzige Feature, was ich wirklich gern gehabt hätte, wäre, mehr als 5 Items gleichzeitig tragen zu können. Das wird ab grob 3/5 der Spielzeit auch möglich (wenn man einen geheimen Weg findet), aber bis dahin nervt das Jonglieren mit 5 Items bisweilen.
Ich möchte bitte nicht missverstanden werden: Born of Bread macht durchaus vieles richtig und ich hatte sehr viele Momente, in denen ich aufrichtig motiviert daran spielte und mich an der toll gestalteten Welt und dem meisterlichen Soundtrack erfreute. Aber es ist keine Herausforderung. Es gibt nur einen einzigen Schwierigkeitsgrad, und den empfinde ich als deutlich zu einfach. Als "Easy Mode" wäre er okay, aber als "Normal Mode" viel zu lasch. Es fehlt jede Herausforderung, gerade bei den Kämpfen. Aber noch viel mehr bei den Bosskämpfen. Während der Kämpfe läuft im Hintergrund sogar ein System, das die Gegner in Kategorien einteilt, sodass manche Angriffe eigentlich mehr oder weniger Schaden als andere anrichten sollten. Das mag in der Theorie auch so sein, doch in der Praxis langt es, immer die stärkste Attacke zu wählen. Ähnlich ist es mit der an sich geilen Idee, die Kämpfe wie bei Online-Livestream-Lets-Plays aufzuziehen. Es gibt (angebliche) Viewer in jedem Kampf, die Stulle und seine Aktionen kommentieren, oder gar bestimmte Aktionen von ihm fordern. Kommen wir einer Forderung nach, erhalten wir kleine Boni, wie etwa, dass sich ein Teil unserer LP oder WP regeneriert. Doch auch das habe ich meistens ignoriert - einfach die stärkste Attacke wählen und der Kampf ist schnell vorbei, bzw. die Boni nicht nötig.
TECHNIKBorn of Bread läuft sehr gut auf der Switch, bis auf kleine Lade-Ruckler, wenn ich mich NPCs näherte, um sie anzusprechen, fiel mir nichts auf. Abgesehen von den Ladezeiten beim Boot-up des Spiels, sowie zwischen den verschiedenen Arealen, die häufig zwischen 30 und 60 Sekunden dauern können, selten weniger, manchmal sogar mehr. Das zerrt dann schon etwas an den Nerven. Doch zum Vergleich: Born of Bread ist auf meinem Nicht-Gaming-Laptop (mit NVMe-SSD) sofort bereit und auch das Laden zwischen den Arealen dauert nur eine Handvoll Augenblicke, in seltenen Fällen bis vielleicht 10 Sekunden. Das scheint also vielmehr eine Sache der Switch-Hardware zu sein, und weniger eine des Spiels selbst.
Etwas ungewöhnlich ist die Buttonbelegung, die nicht veränderbar ist. Springen/Ansprechen/Bestätigen liegt auf A und (auf der Oberwelt) Aktionen ausführen liegt auf Y. Das klappt nach einer kleinen Eingewöhnung sehr gut, aber wirklich natürlich fühlt es sich dadurch trotzdem nicht an, weil der rechte Daumen so ständig seine Position wechselt.
Als ich das Rezensionsexemplar gerade frisch erhalten hatte (was einige Tage vor Release war), war es zudem relativ verbuggt, sodass Stulle zum Beispiel regelmäßig urplötzlich keine Kommandos mehr von mir entgegennahm (einen Defekt meiner Hardware konnte ich nach einigen Tests ausschließen), ich desöfteren meinen Spielstand neuladen musste und ich darum fast schon paranoid oft speicherte. Das scheint aber dank der schnellen Reaktion des Entwicklungsteams mittlerweile gefixt zu sein. Denn seit Release gab es bereits Patches und mir sind auch schon sehr lange keine Bugs dieser Art mehr aufgefallen. Allerdings hatte ich bis zuletzt, wenn auch selten, kleine Soundloops, die nicht aufhörten, bis ich zum Beispiel das Areal wechselte. Darum von mir an dieser Stelle der Rat, sicherzustellen, auf jeden Fall die aktuellste Version von Born of Bread zu spielen.
Die Grafik ist sehr schön anzusehen und voller Details. Besonders löblich ist übrigens, dass Born of Bread in seinen Optionen anbietet, seine Optik anzupassen, sodass Farbwerte oder Konturen so justiert werden können, dass auch Menschen mit Seheinschränkungen auf ihre Kosten kommen. Für Menschen mit regulärem Sehvermögen mag das Spiel, je nach Einstellung, so dann unschön aussehen, aber für alle anderen könnte es eine große Hilfe sein.
Zu guter Letzt ein Lob auf die Musik von Born of Bread. Diese ist phänomenal! Ein Ohrwurm jagt den nächsten, und spielt man mit Kopfhörern, hört man sogar noch viele Details, die selbst über eine teure Glotze einfach nicht wirklich rüberkommen! Dear people of Born of Bread's music department: Thank you very much for such amazing tunes!
FAZITEinerseits liebe ich Born of Bread. Gameplay, Story, Charaktere, die vielen abwechslungsreichen Areale, Grafik, Sound... Super! Und über ein paar kleine Kleinigkeiten wie zum Beispiel eine nicht ganz optimale Buttonbelegung kann ich hinwegsehen.
Doch andererseits ist der Schwierigkeitsgrad schlicht zu lasch ausgefallen. Die Kämpfe sind keine Herausforderung und werden mit fortlaufender Spielzeit im Grunde sogar immer einfacher. Darum mein Vorschlag - nein, meine Bitte! - an das Entwicklungsteam, drei Schwierigkeitsstufen anzubieten. "Easy" wäre das, wie es jetzt ist. Und bei "Normal" und "Hard" müssten die verdienten Erfahrungspunkte entsprechend reduziert werden, damit man nicht gar so schnell auflevelt, sowie der angerichtete und erhaltene Schaden angepasst werden, damit die Kämpfe spannender und herausfordernder werden. Ebenso würde ich mir zugleich überlegen, bei "Normal" und "Hard" gewisse Waffen für Stulle nicht zugänglich zu machen, sodass die Angriffe gegenüber Gegnertypen und auch der (angebliche) Live-Stream und dessen Kommentare abgewogen werden müssen. Dann würde meine Wertung nochmal um gute 10-15% nach oben klettern.