Cover: ŌKAMI HDBei ŌKAMI HD handelt es sich um die Neuauflage eines Videospiel-Klassikers aus dem Hause Hideki Kamiya (bekannt für Devil May Cry, Bayonetta oder The Wonderful 101). Zum Zeitpunkt seines Erscheinens vor über zehn Jahren galt das Spiels als richtiger Geheimtipp, konnte es mit einem einzigartigen Grafikstil und japanischem Märchengut, wie man es bis dahin selten im westlichem Videospielmarkt hatte beobachten können, die Presse durch seine Andersartigkeit überzeugen. Ich selbst kam nie in den Genuss des Spiels und konnte es deshalb größtenteils unvoreingenommen darauf testen, ob es dem Zeitgeist auch gut standhalten konnte.

VOR LANGER ZEIT, AN EINEM FERNEN ORT...
Märchenhaft berichtet uns das Spiel zu Beginn, wie in einem unscheinbaren Dorf im fernen Nippon (die nationalstolze Bezeichnung für Japan) ein achtköpfiger Dämon namens Orochi sein Unwesen trieb und man ihm deshalb jährlich eine Jungfrau opferte, um von seiner Grausmkeit verschont bleiben zu können. Der Krieger Nagi war sehr erzürnt über die Nennung seiner Herzensdame als nächstes Opfer und beschloss deshalb, statt ihrer den bösartigen Dämon aufzusuchen und zu bekämpfen. In der Not kam ihm eine weiße Wölfin namens Shiranui zur Hilfe, und gemeinsam versiegelten sie Orochi in eine Truhe und ließen diese in einer heiligen Höhle zurück.

100 Jahre später erscheint der Nachfahre des großen Krieger Nagis, Susano, selbst jedoch nur der Trunkenbold des Dorfes, und öffnet aus naivem Hochmut und Schatzgier das Gefäß, in dem Orochi eingesperrt war. Aus bitterer Rache verflucht der Dämon das gesamte Land Nippon mit seiner bösen Energie. Die Dorfgöttin Sakuya ruft zu diesem Zeitpunkt Amaterasu zur Hilfe, die die Gestalt der weißen Wölfin aus der Legende annimmt. Dabei handelt es sich um niemand geringeres als die Göttin der Sonne selbst, Schöpferin des Landes Nippon. Gemeinsam mit dem zentimeterhohen Kleinkünstler Issun bereisen beide zusammen das gesamte Land, um es zu seiner alten Schönheit wieder zu verhelfen und dem Treiben des bösen Dämons Einhalt zu gebieten.
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Was ich hier in zwei Absätzen zusammengefasst habe, wird im Spiel mit einer recht lahmen Anfangssequenz, aber doch anschaulichen Kunstdarstellungen eingeleitet, sowie durch Zwischensequenzen begleitet, deren Text ein wenig zu langsam abläuft, sich zumindest aber überspringen lassen, wenn man es mal eilig hat. Zwar ist man nach ca. zwei Spielstunden erst im Spiel mit all den wichtigsten Mechaniken richtig drin gewesen, bis dahin kann man sich aber von fernöstlich-inspirierten, pittoresken Landschaften und ulkigen Charakteren gut unterhalten lassen.
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NICHT EINFACH NUR EINFALTSPINSEL
Zweifellos merkt man ŌKAMI HD seinen Ideen-Ursprung von japanischer Folklore an. Der Grafikstil ist an japanischer Tintentusche angelehnt, die zahlreiche Wandschirme oder Gemälde in der japanischen Kunst ausschmückt. Diesen Grafikstil hat man also tatsächlich noch nie in dieser Form in einem weltweit veröffentlichten Videospiel gesehen. Mit diesem Grafikstil geht in diesem Spiel auch eine grundlegende Alleinstellungs-Mechanik einher: Der Pinsel! Sofern noch genug Tintenfässer vorhanden sind, die sich mit der Zeit von selbst auffüllen, kann man das Spielgeschehen auf Knopfdruck stets in Pergament umwandeln und den Pinsel losschwingen. Je nach gezeichneter Form kann man beispielsweise durch gerade Linien Schnitte erwirken, durch auf Gras gesetzte Punkte Bäume pflanzen, oder durch Kringel Winde beschwören, die den Gegner wegpusten, sofern man die Technik schon beigebracht bekommen hat. In gewisser Weise ähneln diese Pinseltechniken den Items in Zelda, und können sowohl im Kampf als auch für die Rätsel eingesetzt werden.
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BEREISE DAS LAND, FINDE DIE ITEMS UND RETTE DIE WELT?
Generell ist die Gameplay-Ähnlichkeit zu Zelda relativ hoch. So handelt es sich bei beiden Spielen um Action Adventures mit weitläufigen Gebieten und Dungeons, in denen es Kämpfe zu bestreiten und Rätsel zu lösen gilt. Hideki Kamiya, selbst ein großer Zelda-Fan, hat diese Parallelen auch bewusst ausgespielt, nicht aber, ohne den eigenen Touch durch das streng kontrastierende fernöstliche Setting zu verleihen. Das Spiel beinhaltet im Gegensatz zu Zelda mehr RPG-Elemente. So erhält man für die Wiederherstellung des Landes Glück, das in Punkten ausgezahlt wird und für die Erhöhung von Statuswerten verwendet werden kann, ähnlich wie bei Erfahrungspunkten in den meisten JRPGs. Hinzu kommt, dass Kämpfe stets in einem abgeschlossenen Raum stattfinden. Der Übergang zwischen Feld und Kampf ist hierbei sehr fließend, sodass man nie ganz aus dem Spielgeschehen rausgeworfen wird. Nachteil ist hierbei allerdings auch, dass die Umgebung hierbei außerhalb der (durchaus imposanten) Bosskämpfe kaum berücksichtigt wird, und sich spektakuläre Kampfbegegnungen während des Spielens daher in Grenzen halten.
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Weitere Gameplay-Mechaniken schließen kleine Nebenquests mit ein, wie zum Beispiel das Füttern aller Tiere mit der richtigen Nahrung, das Bestreiten von kleinen Herausforderungen der Dorfbewohner oder die Erfüllung von Wünschen der Bewohner Nippons, um ihren Glauben an die Götter zu bestärken. Auf diese Weise sammelt man stückweise Glück, das auch nur in bestimmter Anzahl vorhanden ist, sodass man für vollständige Statuswerte sowohl sämtliche Haupt- als auch Nebenaufgaben abschließen muss. Man hat also durch eine lebendige Spielwelt stets Sachen zu tun und muss sich selbst in weitläufigen Gebieten nicht langweilen.
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ATMOSPHÄRE UND TECHNIK
Optisch ist das Spiel selbstverständlich sichtlich gealtert, da es noch zu PS2-Zeiten erschien. Hier und da sind die Texturen ein wenig repetitiv und die Umgebungsdetails sind in HD recht sparsam vorhanden. Durch die starke Abstraktion des Grafikstils und dem gekonnt eingebauten Cel Shading ist es aber auch heute noch sehr ansehnlich. Zudem beleben zahlreiche Effekte das Spielgeschehen. So werden selbst den Standanimationen durch kleine Bewegungen und rauschende Textureffekte eine Dynamik verliehen, die nicht allzu hektisch wirken. Windlinien ziehen Amaterasu im Sprint hinterher, jede Landung wird durch eine Welle an Grasrascheln begleitet und im auch im Luftsprung flattern verspielt Herbstblätter umher.
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Die Steuerung auf dem Feld ist von der Belegung her recht gelungen: Man weiß stets, welchen Knopf man zu drücken hat, und die Pinselsteuerung erweist sich dann doch als intuitiver als gedacht. Man kann den Pinsel zwar einfach mit Stick oder Bewegungssteuerung mit einer beliebigen (netter Bonus!) Joy Con-Hälfte einsetzen. Meine Lieblingsvariante war dann aber doch der Touchscreen, da man mit dem Finger eben am schnellsten und präzisesten arbeiten kann. Großer Nachteil: Der Touchscreen funktioniert natürlich nicht im TV-Modus, wo das Spiel - durch den größeren Bildschirm - nochmal imposanter daherkommt. Die Menü-Führung wiederum ist nicht ganz so intuitiv gelungen. Das Optionsmenü lässt sich nicht mit derselben Taste schließen, mit der man es aufruft, und manchmal war ich mir nicht sicher, ob er die Einstellungen dann auch tatsächlich angenommen hat. Mir muss man da persönlich zu oft zwischen den Tasten hin- und herwechseln, um wieder ins Spielgeschehen zu gelangen. Im Spiel selbst aber alles weitestgehend top, sofern man sich in eine Lieblingsvariante des Pinsels eingespielt hat.
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Japanische Folklore als Stilmittel erscheinen omnipräsent: Die Menüpunkte sind an einem Fächer angeordnet, Schriftrollen zieren zahlreiche Anzeigen und die Schrift wird in asiatischer Pinselschrift angezeigt, die im Deutschen vielleicht nicht so gut zur Geltung kommen wie in der Originalsprache. Apropos Originalsprache: Trotz der umfangreichen Lokalisation sind immer noch zahlreiche Begriffe lediglich transkribiert überliefert worden, beispielsweise die Namen der Ortschaften oder Charaktere. Unerfreulicherweise wurde aber auch oftmals die genaue Bedeutung der Namen nicht mitgegeben, wodurch eine Menge an Hintergrund verlorengeht. Ein Glossar für solche Begriffe wäre sicherlich wünschenswert gewesen. An einigen Stellen hat man sich dann doch für die Übersetzung eines Begriffs entschieden, was in meinen Augen eine gewisse Inkonsistenz innerhalb der Begrifflichkeiten im Spiel mitreinbringt, die nicht hätte unbedingt sein müssen.
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Im Gegensatz zu vielen anderen japanischen Medien, wo japanische Schriftzeichen für Effekt-Lautmalereien oder Bezeichnungen verwendet werden, werden in diesem Spiel chinesische Schriftzeichen benutzt, die jeweils die dargestellte Handlung in ihrer Bedeutung untermalen, beispielsweise bedeutet 斬 sprichwörtlich "schneiden" und wird für entsprechende Angriffe auch angezeigt. Das ist sicherlich sehr authentisch im Spielfluss eingebaut worden, sorgt allerdings natürlich auch ein wenig für Verwirrung, wenn man als westlicher Spieler die Bedeutung der Zeichen nicht kennt und sie trotzdem ständig vor sich sehen hat. Für den Spielverlauf wird zwar nicht verlangt, dass man sie versteht, allerdings ist dieser bilinguale Bonus doch ein bisschen zu vorteilhaft, um ein Gros der Spielerschaft so im Dunkeln stehen zu lassen. Eine optionale Übersetzung dieser Schriftzeichen hätte sicherlich einiges zum vollständigen Spielerlebnis beigetragen.
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Die Musik ist phänomenal. Sie mag nicht zu jedem Zeitpunkt eingängig sein, da eben jedes Stück zum Großteil aus klassischen Instrumenten Ostasiens untermalt wird. Dass dann trotzdem so viel Abwechslung und Dynamik audiotechnisch eingebaut wird, da kann man eigentlich nur seinen Hut davor ziehen. Eintönige Einschlafmusik ist hier nicht gegeben: Bodenständiger Klang vereint mit moderner Komposition unterstreicht die vielen verschiedenen Situationen im Spiel perfekt. Mein Tipp ist, sich den Soundtrack nochmal getrennt vom Spiel anzuhören: Oftmals klingen einige Stücke nochmal ein Stück intensiver, wenn man nicht allzu sehr vom Spielgeschehen abgelenkt wird.
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EINMAL FÖRDERKURS-DEUTSCH, BITTE!
Absolut enttäuscht war ich von der deutschen Lokalisation des Spiels. Nicht, weil mir das Writing nicht gefallen hätte, im Gegenteil: Meistens war ich sehr beeindruckt von mancher Wortwahl und wie authentisch die japanische Ausdrucksweise übertragen wurde.
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Nein, tatsächlich war es nicht der formelle, sondern der formale Teil, der mir ein wenig den Spielspaß gedämmt hat: Unsauber geteilte Sätze zwischen den Textboxen, die ab und zu durch eine sekundenlange Pause getrennt werden, Kleinigkeiten wie dauernd vorkommende das/dass-Fehler, fehlende oder unnötige Apostrophe und selbst Groß- und Kleinschreibung wurde in manchen Teilen missachtet. Die häufigsten Fehler, die ich feststellen musste, waren falsch oder gar nicht gesetzte Kommata. Eine vollkommene Katastrophe, was hier rechtschreibtechnisch geleistet wurde. Und das Schlimme ist ja auch, dass es an manchen Stellen mit der Grammatik klappt, an manchen dann jedoch wiederum nicht. In dieser Form definitiv spielspaßhemmend.
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Wer des Englischen oder gar des Japanischen mächtig ist, würde ich definitiv dazu raten, es mal mit diesen sprachlichen Fassungen zu versuchen: Sie alle werden in der Switch-Version unterstützt. In der japanischen Fassung werden sogar Lesehilfen für die chinesischen Schriftzeichen angeboten, falls sich ein Sprachanfänger hieran versuchen will.
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FAZIT
Für den Preis von 19,99€ bietet ŌKAMI HD auf jeden Fall genug Inhalt und Spielspaß, sodass man als interessierter Spieler zuschlagen kann. Ein Muss ist es allerdings nicht, da es trotz seiner tatsächlich einzigartigen Alleinstellungsmerkmale nicht mehr ganz mit den epischen Ausmaßen heutiger AAA-Titel mithalten kann. Aber irgendwie ist ŌKAMI HD dann doch eines dieser Spiele, die man im Verlaufe der eigenen Videospiel-Karriere zumindest mal angespielt haben sollte. Solange man sich nicht vom schleppenden Anfang abschrecken lässt, taucht man alsbald in eine unterhaltsame Welt mit wertvollem japanischen Kulturgut sowie cleveren Gameplay-Mechaniken ein. Und wen die mangelhafte Orthografie nicht stört, kann sich gern auch 5% zur abgegebenen Gesamtwertung hinzudenken.
«Ligiiihh» Singleplayer: 80%

Verfasst von «Ligiiihh» am 23.08.2018,
bemustert durch Capcom Entertainment Germany
für bis zu 1 Person/en
Release am 09.08.2018