FEUCHTE FINGER, DEBILE BLICKENa los, alle mal melden, die vor mittlerweile fast 20 Jahren "Das schwarze Auge" oder "Ultima Underworld" auf dem PC gespielt haben... ...die RPG-Suchtis unter uns kriegen bei dem Gedanken an die gute, alte Zeit bestimmt feuchte Finger und grinsen debil vor sich hin, nich' wahr!? ;)
Naaa, kommt wer dahinter, worauf ich hinaus will? Jaaaahahaaa! Etrian Odyssey ist ein Old-School-RPG! Ein hervorragendes Old-School-RPG!
...UND SO GESCHAH ES EINES MORGENS, DASS...Ohne große Erwartungen legte ich Etrian Odyssey eines Morgens einfach ein und schaltete meinen Nintendo DS an. Nach den üblichen Boot-Up-Logos wählte ich "Neues Spiel" an... Nur wenige Sekunden später wurde ich nach dem Namen meiner Gilde gefragt - und zu den Mitgliedern und Mitgliederinnen wurde mir eine Entscheidung abverlangt: Charakterklassen, Geschlechter, Optik (also Avatare) und natürlich die Namen. Für den Anfang wählte ich erst einmal sechs Helden.
Dann wollte ich aber mit dem eigentlichen Spielen beginnen und erst etwas später vielleicht meiner Gilde noch weitere Charaktere hinzufügen. Meine allererste Aufgabe war - quasi als Tutorial -, einen Teilbereich des naheliegenden Waldes zu kartographieren. Das Spielprinzip selbst lernte ich dabei so ganz nebenbei ebenfalls. Auf dem oberen DS-Screen findet die "Action" statt, dort stehen die Übersichten meiner Helden, dort wähle ich Kampfhandlungen aus (Angriff, Verteidigung, Magie, usw.)... ...es ist also sozusagen der "Hauptbildschirm".
DO-IT-YOURSELF-MAPAuf dem unteren DS-Screen ist die Karte desjenigen Gebietes, in welchem ich mich gerade befinde. Der Clou ist, dass diese Karte allerdings selbst anzufertigen ist. Das bedeutet, man muss selbst "einzeichnen", wo eine Mauer, sehr hiebresistente Gegner, Schätze, wertvolle Items, Geheimtüren, Treppen, spezielle Events, usw., sind; mittels des Touchscreen-Features. Das klappt wunderbar und während des Spielverlaufs bermekte ich bald gar nicht mehr, dass ich nebenbei immer wieder an meiner Karte herumkramte.
Das war auch wirklich notwendig, denn das Spiel rührt diesbezüglich wirklich keinen Finger... ähm... Schaltkreis! Wer nicht dokumentiert, wo er/sie lang ging, und was alles in allem an welchen Positionen passiert, wird sich sehr schnell verlaufen (hab ich ausprobiert; auf späteren Ebenen ist man ohne seine Karte hoffnungslos verloren!); ich finde das klasse - das vermittelt das Feeling, ein Teil dieses Abenteuers zu sein, ganz besonders. Wer jetzt aber befürchtet, dass das Ganze zu einem stressigen Hin und Her zwischen Action und Karte wird, sei entwarnt!
Das Spiel selbst verläuft vollkommen stressfrei. Ihr habt bei allen Dingen, die Ihr tut, alle Zeit der Welt: Ob Ihr Euch Ausrüstung kauft, Items verkauft, Aktionen in Kämpfen auswählt, mit anderen sprecht... ganz gleich; niemand hetzt Euch. Es wird immer auf Eure Auswahl oder Bestätigung gewartet.
TYPISCH!Wie für RPGs typisch, erhaltet Ihr nach Auseinandersetzungen mit Gegnern bare Münze, Items und Erfahrungspunkte. Items könnt Ihr verwenden oder verkaufen, für Geld kauft Ihr Ausrüstung oder Items und die Erfahrungspuntke machen Eure Charaktere immer stärker und ausdauernder! ;) Besonders wichtig sind die Spezialfertigkeiten Eurer Charaktere. Je mehr Fertigkeitspunkte Ihr auf eine Fertigkeit legt, desto besser und verlässlicher wird diese dann später auch ausgeführt.
Je nach Charakterklasse gibt's dann also ein reichhaltiges Repertoire an offensiven oder defensiven Methoden: Eiszauber, Feuerzauber, Heilzauber, schadens-absorbierende Konter, usw. Wichtig ist nur, dass Ihr Eure Charaktere nicht verskillt, sondern Euch gut überlegt, welche Fertigkeiten Sinn machen und in welcher Kombination man seine Party zusammenstellt. Lieber alles auf die Feuerattacken? Oder ein Allrounder? Oder einen Magier nur für Feuerzauber und einen nur für Eiszauber?
Dadurch, dass Ihr gut 30 Charaktere erstellen und nach Belieben leveln dürft - und jeweils bis zu 5 davon gemeinsam auf die Reise schicken könnt -, habt Ihr praktisch unbegrenzte Möglichkeiten, eine bestimmte Quest zu lösen oder einen besonders starken Gegner in den Tiefen des Labyrinths über den Jordan zu schicken.
...IMMER NUR HÄPPCHENWEISE...Besonders stark sind zu Beginn Eurer Reise übrigens fast alle Gegner: Ihr werdet demnach ständig nach wenigen Fights erstmal das Weite suchen, Euch im Dorf Verda stärken und dann wieder ein Stückchen weiter in das Labyrinth vordringen. Nach und nach jedoch erblüht Eure Party und das Hin und Her wird merklich weniger. Auch Eure finanziellen Mittel sind häufig arg am Limit, was bedeutet, dass Ihr Heiltränke, gute Ausrüstung, usw., immer nur häppchenweise erstehen könnt.
Doch gerade das langsame, bedachte, stets gefährliche an diesem Abenteuer macht den Reiz aus. Während Ihr bei anderen RPGs recht bald einen Status erlangt habt, bei dem man sich fragt, ob man eigentlich nicht selbst der Boss in den Bosskämpfen ist, weil man alles einfach nur noch müde wegputzt, ist das hier wirklich ziemlich realistisch. Statt einfach nur noch aus purem Selbstzweck bis zum Ende zu spielen, weil Euch sowieso nichts und niemand mehr wirklich gefährlich werden kann, wird jede der 30 Ebenen Euch bis zum Ende Eurer Reise sehr viel Ausdauer und Vorsicht abverlangen.
Überall könnte ein Gegner in den Büschen lauern - schafft Ihr's noch ein paar Meter weiter? Oder mit dem magischen Seil schnell zurück ins Dorf und neue Kräfte sammeln? Sind noch genug Heiltränke vorhanden? Haben die Magier noch genug Zauberpunkte? Sind die Schwertkämpfer noch stark genug? Das sind Entscheidungen, die wirklich Spaß machen! Denn Ihr kauft nicht einfach schnell die bestmögliche Ausrüstung und latscht mit Level 10000 durch alle Bereiche, als gäbe es sie gar nicht...
Oh, nein! Ich hatte nach ca. 15 Stunden Spielzeit gerade mal eine Party, die durchschnittlich Level 17-18 und hatte, und die 5. Ebene (bis dahin hatte ich mich zu diesem Zeitpunkt durchgekämpft) war kein Zuckerschlecken, obwohl ich schon recht mächtige Hiebe und Zauber austeilen konnte!
LANGWIERIG IMMER, LANGWEILIG NIMMER!Das leicht zähe und dadurch immer spannende Gameplay sorgt so dafür, dass man niemals eine Stufe erlangt, die das Spielen nur noch zum öden Knöpfchen drücken verkommen lässt, sondern dass man ständig überlegt, wie und wo man am besten vorgehen muss oder sollte. Das Dokumentieren der Map ist nicht nur ein nettes Feature, sondern essentiell für das Vorankommen und Zurechtfinden - und obendrein wirklichkeitsnah: Welcher Held hat für ein unbekanntes Territorium schon eine fertige Übersicht in der Tasche? Und welche Karte vervollständigt sich von selbst, wenn man ein paar Meter voranschreitet?
Etrian Odyssey ist definitiv nichts für Gelegenheitsspieler/innen, dieser Titel hier verlangt durch seinen hohen Schwierigkeitsgrad viel Aufmerksamkeit. Dennoch: Stellt man sich darauf ein, dass die Party eigentlich nie genug finanzielle und materielle Mittel zur Verfügung stehen hat, kommt man sehr gut zurecht, da man immer gefordert, aber nie überfordert ist - schwer bleibt der Titel trotzdem zu jeder Zeit!
Eine ungefähre Spielzeit garantieren kann ich nur schwerlich, weil es darauf ankommt, wie man seine Gilde zusammenstellt und wie oft man sich entschliesst, eventuell neue Mitglieder/innen zu rekrutieren und diese neu zu leveln. Aber ich glaube, dass es durchaus realistisch ist, dass ich von grob 60 Stunden minimum ausgehe, wenn man sehr zügig voran geht. Alle anderen dürften bei schätzungsweise 80-90 Stunden liegen.
FAZITEine Schande, dass Japan und die USA schon vor einem Jahr(!) mit diesem Game beglückt wurden und mittlerweile schon Teil 2 zocken, während Europa erst jetzt Teil 1 in Angriff nehmen darf. Wenn das Game hier eine totale Gurke wäre, wär's mir sogar egal, ob's überhaupt erscheinen würde; aber es ist ja das Gegenteil - das vorliegende Game ist wunderbar! Etrian Odyssey ist mein persönlicher Überraschungs-Geheimtipp für den Nintendo DS: u-n-b-e-d-i-n-g-t probespielen...
Wer eh gern RPGs spielt, oder damals schon Das schwarze Auge (also für den PC, versteht sich!) oder Ultima Underworld liebte, stattet seinem Händler des Vertrauens sofort einen Besuch ab, krallt sich dieses tolle Game aus dem Hause Atlus und bestellt sich ausserdem sogleich Teil 2 vor (oder nimmt ein US-Import mit, denn es gibt relativ wenig Text, und die paar Worte habt Ihr schnell verstanden!).
Wer sich fragt, warum ich "nur" 82% vergebe, obwohl ich dieses Spiel so lobpreise: Ist ganz simpel, denn es ist erstens ein Nischenspiel, also fast nur etwas für RPG-Liebhaber/innen. Zweitens ist das Game s-e-h-r schwer und man kommt nur recht langsam voran. Wer es mit der Ungeduld hat, könnte Motivationsprobleme verspüren! Und drittens ist es daher nicht für alle Zocker/innen gleichermaßen geeignet; irgendwie musste ich das ja deutlich machen, hm?! ;) Wer also Rollenspiele mag - oder gar liebt - darf gern noch ein paar Prozente hinzuaddieren.