Cover: Mega Man 6Als Mega Man 6 damals erschien, war das Super Nintendo schon längst in aller Munde - NES, was war bloß nochmal? So verwundert es nicht, dass von Mega Man 6 praktisch keine Notiz genommen wurde und es infolge dessen auch erst gar nicht in Europa erschien. Viele wissen auch immer noch nicht, dass es einen sechsten Teil gab, geschweigedenn einen fünften.

Ich muss aber zugeben, dass mir ja schon der fünfte nicht so wahnsinnig gut gefiel, und beim sechsten ist es im Grunde dasselbe. Dabei liegt das nichtmal an der typischen Mega-Man-Formel, in der man 8 Robot-Bosse besiegt, nachdem man ihre Level durchquerte und sich nun ihre Waffe aneignet, um ganz am Ende gegen Dr. Wily anzutreten, das Problem ist, man fühlt sich nicht motiviert.

So ist einerseits schlicht der Hammer, was Capcom grafisch und akustisch aus dem NES herauskratzte, fast nichts erinnert mehr an die simplen, einfachen Kachelmuster und fiepsigen Tüdelsounds der frühen Tage des NES. Aber bei aller Grafikpracht wurde wieder vergessen, dass zum Leveldesign auch ein gewisser Touch gehört, der über Asthetik hinausgeht. Alles wirkt zu glatt, zu aufgeräumt; es mangelt an Atmosphäre und Gegner, bzw. Passagen, die im Gedächtnis bleiben.
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In Mega Man 2 die großen Köpfe in der Air-Man-Stage, in Mega Man 3 die lange Sprungpassage mit den sich bewegenden Plattformen in der Spark-Man-Stage und unzählige mehr. In Mega Man 6? Ich bin da durch, aber ich erinnere mich an nichts spezielles. Etwa auch der große Drache in den abschliessenden Festung-Leveln, der sieht für NES-Verhältnisse beeindruckend aus, aber er wirkt nicht gefährlich, da Kolorierung und Form zu bunt und niedlich sind. Zudem erinnert er viel zu sehr an den Drachen aus Mega Man 2.
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Selbiges gilt für den Sound - technisch sehr gut gemacht, aber nichts davon pfeift man mit oder "la-la-la-lat" man morgens in der Dusche; zu beliebig sind die Melodien, keine markanten Breaks und Hooks.
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Hinzu kommt noch, dass erneut der Mega Buster alles zu sehr vereinfacht: Aufladen, die ganze Zeit halten, kommt ein Gegner, loslassen, der ist sofort erledigt, aufladen, halten, loslassen, aufladen... Und den Ground Slide benötigt man praktisch auch nie wirklich. Neu sind dafür zwei Extra-Verwandlungs-Fähigkeiten für Mega Man, die zwar recht gut versteckt und nett gemeint sind, aber nur an äußerst wenigen Stellen im Spiel nötig sind, weil sie dort dann aufgezwungen werden, doch ansonsten langen übliches Laufen und Springen voll und ganz für alles aus.
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Lediglich der Schwierigkeitsgrad ist durchaus... nee, auch nicht. Man latscht einfach so durch, abgesehen von wenigen Ausnahmen - und die Boss-Roboter hätten keine Chance gegen ihre Counterparts der früheren Titel. Ihre Bewegungsmuster sind zu simpel und der Schaden, den man bei einem Treffer erhält, schmeckt auch nicht unbedingt nach "Boss-Fight". Da sollte ein Treffer schon schwerwiegender sein. Es fehlen hektische Momente, Passagen, bei denen man sich ein besonderes Springmuster einprägen muss, pipapo...
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Loben will ich aber unbedingt die Idee, alternative Routen in 4 der 8 regulären Level versteckt zu haben, was dafür sorgt, dass man Lust darauf hat, diese zu finden und hinter sich zu lassen. Lediglich die "Belohnung" dafür ist mir etwas zu lasch - ich will nicht zu viel verraten, aber ein weiterer Schwierigkeitsgrad, nochmals zusätzliche Level, oder ähnliches wären mir viel lieber gewesen.
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FAZIT
Capcom hat sich an dieser Suppe zu sehr verzettelt. Die edelsten Bio-Gemüse kamen in den Topf, nur das frischeste Bergquellwasser bildet die Basis, aber es fehlt an Salz und Kräutern - und Croutons, wie man kann nur die Croutons vergessen? Niemand hat sich Gedanken gemacht, wie man die Zutaten zueinander abstimmen sollte - man warf einfach alles, was irgendwie gut klang, in einen Topf.
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Somit ist die Suppe zwar genießbar und man schmeckt die hochwertigen Zutaten auch heraus, doch das Gesamtbild ist nicht rund, sodass man pragmatisch den Teller leerlöffelt, immerhin hat die Suppe ja Geld gekostet, aber einen Nachschlag möchte man dann lieber doch nicht.
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Oder mit anderen Worten: Mega Man 6 wirkt merkwürdig unfertig, auf seltsame Weise hingeschlonzt, weil einfach überall der Feinschliff fehlt.
Jörg Singleplayer: 65%

Verfasst von Jörg am 25.07.2014
für bis zu 1 Person/en
Release am 05.10.1993