Cover: Earthworm Jim 2Als die Videospielindustrie in den 90ern geradezu von Jump´n Runs, Jump´n Shoots und ähnlichen Genrevertretern überlief und es schwierig war, einen Titel von der breiten Masse abzuheben, kam plötzlich ein ganz besonderer Held ans Tageslicht, um alle anderen in Sachen Charme in den Schatten zu stellen - die Rede ist natürlich von dem Wurm Jim, der in "Earthworm Jim" durch gutes Gameplay sowie bestechendem Humor punktete und durchweg gute Wertungen einheimste. Da war eine Fortsetzung nur logisch - und diese liegt mir hier zur Rezension vor...

Bereits im Intro witzig
Schon das Intro lässt vermuten, dass der humorvolle Weg des Erstlings auch im Nachfolger weiterhin eingeschlagen werden soll. Im Grunde genommen wird in dieser einen Sequenz, die kaum mehr als mehrere Sekunden dauert, schon die ganze Geschichte erzählt: Nachdem Jim Princess "What's-Her-Name" befreit hatte, gelang es ihm mit der Zeit, deren Gunst für sich zu gewinnen. Doch "Psy-Crow" hat eigene dunkle Pläne mit der Prinzessin und entführt diese, um sie in der "Lost Vegas"-Galaxie zu heiraten und "Regent der Galaxie, Herrscher des Universums und Meister über sowieso alles zu werden". (originaltreu aus der Bedienungsanleitung entnommen!) Hier wird schnell klar: Die Story und das Spiel selbst nehmen sich nicht allzu ernst. Gut so!

Jim, sein Anzug und das Gameplay
Nun gilt es also, den Wurm Jim, der einst über einen Power-Anzug aus dem Weltraum gestolpert ist, durch verschiedene Levels zu steuern um seine Herzallerliebste zu befreien. Dabei bedient er sich an einem vielseitigen Waffenarsenal, wobei sein Blaster die wohl am häufigsten verwendete Waffe bleibt. Darüber hinaus kann er sich selbst - er ist ja schließlich ein Wurm - als Peitsche benutzen oder weitere Waffen einsammeln, die meist mehr hermachen als sein einfacher Blaster, aber deren Munition auch wesentlich knapper begrenzt ist. Somit bleibt ein großes Stück des Spiels klassische Jump´n Shoot-Kost.
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Vergleicht man den Titel jedoch mit dem ersten Teil, so fällt auf, dass die klassischen Jump´n Shoot-Levels verhältnismäßig seltener wurden. Die Levelkombination aus einem vielseitigen Waffenarsenal und anspruchsvollen Sprungpassagen tritt im Verhältnis zu anderen Leveltypen viel zu selten auf, als dass man das Spiel tatsächlich als reinrassiges Jump´n Shoot bezeichnen könnte: So ist bereits das zweite Level losgebunden von den verschiedenen Waffen mit ihrer eigenen Munition und auch im weiteren Spielverlauf folgen völlig verschiedene Leveltypen wie etwa einfache Auffangspielchen oder Raumschiff-Levels in der Iso-Perspektive. Dadurch wirkt das Ganze letztendlich beinahe schon wie eine Minispielsammlung, da die Ansprüche, die an den Spieler gestellt werden, immer unterschiedlicher Natur sind. Wer also tatsächlich nur springen und ballern will, sollte sich einen Kauf gut überlegen, da er in dieser Hinsicht etwas enttäuscht werden könnte - obwohl sämtliche Levels, egal welcher Art sie sind, absolut gut funktionieren und unterhaltsam sind.
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Charme und Witz ohne Ende
Mir fällt wirklich keine Spielserie ein, die mit so wenigen Ablegern schon einen solch hohen Kultstatus erreicht hat, wie es die "Earthworm Jim"-Serie geschafft hat, die aus drei Ablegern, die auf mehreren Konsolen und Handhelds veröffentlicht wurden, sowie einer Trickserie besteht - wobei der Kultstatus wohlgemerkt schon nach dem allerersten Teil fest etabliert war. All das ist jedoch mit Sicherheit kein Zufall, denn der Wurm Jim und seine wahnwitzige Welt, in der er lebt, versprühen einen unglaublichen Charme und sind von vorne bis hinten mit einem dermaßen großen Witz gespickt, wie man ihn in kaum einer anderen Serie zu sehen bekommt. Die Beispiele hierfür nehmen kein Ende und sind nicht nur in Zwischensequenzen, sondern auch im gesamten Gameplay eingebaut.
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Im Grunde genommen muss man sich natürlich an den Kopf fassen, wenn man annimmt, dass ein nüchterner Mensch auf die Idee gekommen ist, Jim könne Hundewelpen mit einem Marshmallow auffangen und deren Leben retten. Genauso verrückt sind auch Abschnitte, in denen der Wurm mit einem Treppenlift fallenden Omas ausweichen muss. Und ich wage zu behaupten, dass "Earthworm Jim 2" so ziemlich der einzige Titel der Welt ist, in dem ein Kampfschauplatz ein Pizzakarton ist. Schnell wird klar: Dieses Spiel ist buchstäblich vom Intro bis zum Abspann extrem witzig, verrückt und einfallsreich. Der Charme bleibt bis heute ungebrochen und - für mich persönlich - auch unüberboten.
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Präsentation
Die Liebe, mit der das ganze Spiel entwickelt wurde, zeigt sich nicht nur in dem ganzen Charme, der im Spiel steckt, sondern auch in der Gestaltung. "Eartworm Jim 2" benutzt nicht etwa für mehrere Levels derselben Welt unterschiedliche Sprites - wie es so oft bei anderen Spielen der Fall ist - sondern jedes Level hat seine eigene Gestaltung, die unterm Strich extrem abwechslungsreich und auch verdammt schick ist. Die Animationen sind butterweich und wissen ebenfalls zu gefallen.
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Was die Musik angeht, hat das Spiel einen ungewöhnlichen, aber eigentlich sehr sicheren Weg ausgewählt, denn bei einigen der Musikstücke handelt es sich um bekannte Klassiker, die neu aufgelegt wurden und mit Sicherheit einer ganzen Menge Leuten bekannt vorkommen. Dadurch geht das Ganze leicht ins Ohr und bleibt dort auch gut haften, ohne zu nerven. Super gelöst!
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Der einzige Wermutstropfen
Ob der Genre-Mix allzu gut zu bewerten ist, ist eine Sache, die jeder nach seinem eigenen Ermessen entscheiden muss. Leider Gottes bleibt am Ende jedoch auch ein Wermutstropfen, der nicht einfach von der Hand zu weisen ist und das Gesamtbild etwas trübt.
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Nach zwei Stunden ist Feierabend! Das ist zumindest die Erfahrung, die ich gemacht habe - ohne großartig durch die Levels zu rennen. Auch war ich immer ganz gut gefordert, denn zu leicht ist das Spiel keineswegs und das ein oder andere Leben blieb auf der Strecke und das Zurücksetzen auf den letzten Continue-Punkt war unvermeidlich. Dadurch bleibt die Spielzeit leider etwas mager und kann allenfalls noch durch das Anheben des Schwierigkeitsgrades künstlich in die Länge gezogen werden, was dann eben noch einige zusätzliche Versuche und mehr Zeit schinden würde - letztendlich lässt sich die kurze Spieldauer jedoch nur schwer von der Hand weisen.
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Fazit
Meiner Meinung nach wäre es ein Fehler, "Earthworm Jim 2" einfach nur als ein Videospiel anzusehen. Für mich ist der Titel nicht nur ein Videospiel, sondern - durch den Charme und die vielen Gags bedingt - ein ganzes Stück Unterhaltung. Nun ist es allerdings nicht so ganz leicht, eine Wertung dafür auszusprechen, denn es stellt sich unweigerlich die Frage, wie weit diese vielseitige Unterhaltung denn in diese Wertung mit einfließen soll.
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An sich ist das Gameplay zwar gut bis sehr gut, würde ohne den ganzen Witz das Spiel jedoch in der Masse verblassen lassen. Doch der ist es, der das Spiel zu einem ganz besonderen macht. Es lässt sich nicht vermeiden, dass sich jeder selbst ein Bild von dem Spiel machen muss - in der Rezension habe ich es zumindest hinreichend beschrieben und dadurch kann jeder selbst wissen, ob es für ihn interessant klingt oder nicht. Aus meiner Perspektive kann ich es jedoch nur wärmstens empfehlen, auch, wenn es nur ein ziemlich kurzes Vergnügen ist.
«Blicker» Singleplayer: 82%

Verfasst von «Blicker» am 22.08.2011,
bemustert durch Nintendo
für bis zu 1 Person/en
Release am 22.12.1995