DIE NATUR SPIELT VERRÜCKT!Nina Kalenkow will nach all dem Trubel aus Geheimakte: Tunguska eine kleine Urlaubsreise antreten, bis sie nach einiger Zeit feststellt, dass die Erde offenbar zu kollabieren droht, denn die Natur spielt vollkommen verrückt: Stürme, Erdbeben, Vulkanausbrüche, Überschwemmungen passieren oder stehen bevor...
Und der Führer der Geheimorganisation Puritas Cordis erklärt irgendwann auch noch öffentlich in den Medien, dass die Zeit des Chaos herangebrochen sei und dass Puritas Cordis... nee, das verrate ich mal lieber nicht! :) ... Nina jedenfalls ist sich sicher, dass er eigentlich nur die momentane Panikmache ausnutzen will, damit möglichst viele Leute sich dem Bund anschliessen, um somit viel Geld auf die Konten von Puritas Cordis zu spülen ...
KATZ- UND MAUSSPIELKlingt interessant? Ist es auch! Doch der Reihe nach: Matthew Wakefield wird ermordet. Wakefield war Preister der Parish Church in Ashford und hatte wenige Tage vor seinem Mord eine Schriftrolle an den Bischof geschickt. Der Bischof studiert soeben die Schriftrolle, als auch er überfallen wird. Gerade noch gelingt es ihm, die Rolle, die er für sehr wichtig hält, zu verstecken, und er versucht zu fliehen. Leider aber wird auch er erwischt und stürzt aus einem der Klosterfenster in die Tiefe - und, wie sich alsbald herausstellte, musste Parrey, wie auch Wakefield, sein Leben lassen, weil er in Kontakt mit der Schriftrolle kam...
Dann erfolgt ein Break und Ihr begleitet Nina Kalenkow ein wenig auf dem Weg zum Kreuzfahrt-Schiff Calypso. Doch noch bevor Nina das Schiff betreten kann, um eine Urlaubsreise anzutreten, begegnet sie einem Mann, der einen sehr, sehr verwirrten Eindruck macht und wenige Augenblicke später überfahren wird. Ein Unfall oder Absicht?
Das Schiff hat gerade die Reise begonnen, als Nina feststellt, dass ihr Koffer nicht ihr Koffer ist - er wurde offenbar vertauscht. Sie kann den Irrtum aufklären und erhält ihren Koffer - doch nur wenig später stellt sich heraus, dass jemand ihr Hab und Gut aus dem Koffer entwedet hat und ein seltsames Katz- und Mausspiel mit ihr spielt, denn ihre Sachen sind auf dem ganzen Schriff verstreut, und sie soll durch kleine Rätselverse und Knobelspielchen herausfinden, wo was zu finden ist, damit sich der Täter zu erkennen gibt.
NICHT AUF DEN MUND GEFALLENWie also zu merken ist: Die Story selbst ist gleich von Beginn an sehr spannend und hat einen dem Humor stetig zuzwinkernden, erwachsenen Touch, der fernab vom simplen "Rette die entführte Prinzessin"-Klischee liegt, allerdings auch niemals blutrünstig oder verbal entgleisend wird. Und gerade das macht auch den Reiz aus, dieses Spiel zu spielen: Hier trifft das gute, alte Point-&-Click-Adventure-Prinzip der 80er Jahre auf eine undurchsichtige Geschichte um Naturkatastrophen und die Geheimorganisation Puritas Cordis, die durchaus ein wenig in die heutige Zeit passt.
Überlest jedoch auf alle Fälle nicht den Begriff "Point-&-Click-Adventure", den ich hier gebrauche, denn es handelt sich um ein solches. Keine Actionballereien, keine Geheimagentenhetzjagten, keine Schleich- und Kriecheinlagen. Alles, was ihr tut, ist Indizien sammeln, Fakten kombinieren, aufmerksam zuhören, Gegenstände aufnehmen und anwenden, die Umgebung beobachten, mit anderen Personen sprechen und der spannend erzählten Geschichte folgen.
Natürlich hat Geheimakte 2 nicht ganz den Comic-Slapstickhintergrund eines Day of the Tentacle oder eines Monkey Island, dafür ist die Geschichte zu ernst und "realistisch", aber dennoch wird hier viel zum Schmunzeln oder Lachen geboten. Denn Nina ist absolut nicht auf den Mund gefallen und kommentiert desöfteren die aktuellen Geschehnisse um sie herum.
Doch auch die Geschehnisse selbst sind manchmal - manchmal! - etwas abseits der ernsten Pfade und erinnern wunderbar an eben solche Genrekollegen wie etwa Day of the Tentacle. Eine Eurer Aufgaben ist es z.B., eine neue Tube Sonnencreme zu besorgen, weil die alte leer ist. Also nehmt Ihr einfach die alte Tube und füllt sie halt am Seifenspender in der Waschküche auf - der Sunnyboy auf dem Sonnendeck merkt den Unterschied sicher eh nicht. ;)
Allerdings wirkt diese Art des "Humors am Rande" immer genau richtig und ist stets wohl dosiert, damit die Ernsthaftigkeit des Gesamtbildes nicht ins Lächerliche gezogen wird und vor allem die Spannung nicht darunter leidet - für mich persönlich der optimale Grat zwischen Point & Click, erwachsener Story und einem Hauch Retroklassiker-Witz à la Maniac Mansion.
EBENFALLS NICHT AUF DEN MUND GEFALLENEbenfalls nicht den Mund gefallen sind die Stimmen hinter allen Charakteren im Spiel. Denn alle Sprecher und Sprecherinnen machen ihre Sache ausgezeichnet. Leider nur ist weder im Inlay noch im Booklet eine Liste der Stimmgeber/innen zu finden; aber wer sich ein wenig mit Synchron auskennt, wird eine Menge "Das ist doch..."-Erlebnisse haben! ;)
Der Schiffsportier etwa ist Donald Arthur (Kent Brockman aus Die Simpsons, Chefkoch aus South Park), der Sunnyboy vom Sonnendeck ist Hans-Georg Panzcak (Smithers aus Die Simpsons, Murdock aus Das A-Team), Matthew Wakefield ist Niels Clausnitzer (Willie Tanner aus ALF), Nina Kalenkow ist Solveig Duda (deutsche Stimme von Angelina Jolie), Schwester Elise ist Dagmar Dempe (deutscte Stimme von Meryl Streep oder auch Jill Taylor aus Hör mal, wer da hämmert)...
Dazu die akustischen Effekte und der Soundtrack: Spannend, der Situationen angemessen. Sei es im Kloster, auf dem Schiff, tief im Dschungel... - einfach gut. Sogar die Grafik ist klasse und liegt definitiv weit über dem typischen Wii-Durchschnitt. Man könnte jetzt sagen, dass die Wii durchaus mehr zu leisten im Stande wäre, doch sollte nicht vergessen werden, dass genauso dieser Art Grafikstil sicherlich gewollt war, um wohl vor allem das Point-&-Click-Ambiente zu unterstreichen.
ETWAS HERUMPROBIERENWie für Titel dieses Genres üblich, geht es nicht, ohne, dass man auch mal für ein paar Minuten nicht weiter weiss und dann gezwungen ist, etwas herumzuprobieren, damit man herausfindet, wie man weiter kommen kann. Letzten Endes sind zwar alle Rätseleinlagen stets logisch (von einigen sehr wenigen Ausnahmen einmal abgesehen: z.B. Handwaschseife als Sonnencreme!), doch ist ab und zu auch mal ein wenig abstraktes Denken erforderlich. Wobei ich hier jetzt aber mal kein Beispiel mehr nenne, da ich mit der Sonnencreme ja bereits genug gespoilert habe! :)
Offenbar waren sich die Entwickler/innen dessen aber bewusst und bauten zwei sehr nützliche Funktionen in das Spiel ein. Drückt Ihr die Tasten - oder + auf der Wiimote, erscheinen auf dem Bildschirm kleine Lupen, die anzeigen, wo Personen, Objekte und Gegenstände sind, die Ihr ansprechen, angucken, untersuchen oder benutzen könntet. Ebenfalls gibt es eine Art Fortschrittstagebuch, in welchem auf jeder Seite ein kleiner Teil Eures Fortschritts festgehalten wird. Da es aber jederzeit vorkommen kann, dass Ihr einmal partout keinen Schimmer habt, was Ihr jetzt tun sollt oder könntet, ist dieses Tagebuch Euch auch immer einen Schritt voraus.
Nach einem kleinen Hinweis, dass die nächste Seite Euch einen Tipp geben wird, wie es weiter geht, offenbart sich Euch ein kleiner Wink mit dem Zaunpfahl und gibt Euch die ungefähre Richtung vor, sodass Ihr zumindest wisst, dass jetzt beispielsweise irgendwas im Zusammenhang mit der Rezeption zu tun ist, ohne aber zu verraten, was genau Ihr dort anstellen sollt. Wer also mal keinen Plan mehr hat, guckt ins Tagebuch, wer's aber unbedingt ganz allein schaffen will, lässt es einfach bleiben. :)
Sehr gut gefällt mir auch das punktgenaue Abspeichern, das zu jeder Zeit im Spielverlauf möglich ist - mit Ausnahme von Cutscenes (also eingespielten Videosequenzen), sofern diese gerade über den Bildschirm flimmern. Darüber hinaus gibt es 6 verschiedene Spielstände, die alle nach Belieben genutzt werden können - ruhig auch alle 6 für dasselbe Spiel, sollte das einmal nötig sein.
FAZITBevor ich abschliesse, möchte ich als einziges Manko kritisieren, dass das Spiel nach "nur" etwa 15-20 Stunden bereits komplett gelöst ist - diverse Suchereien, was jetzt wohl als Nächstes zu tun sei, oder welchen Gegenstand man vielleicht noch mit einem anderen verbinden könnte, bereits eingerechnet. Was besonders schade ist, weil Geheimakte 2: Puritas Cordis viel Spaß macht.
Schade auch, dass es keine geheimen Zusatzlevel oder erneute Spieldurchgänge mit härteren Rätseln oder sowas gibt - wenn Ihr das letzte Rätsel gelöst habt, habt Ihr das letzte Rätsel gelöst und müsst auf Teil 3 warten, der hoffentlich kommen wird! Also, Deep Silver, merkt's Euch: Macht Euch daran, Teil 3 zu entwickeln. :)
Nur lasst dann bitte auch den 2-Spieler-Mode weg, vor allem, wenn er praktisch gar keiner ist, und bastelt stattdessen weitere Rätsel rein. Denn Spieler/in #2 kann schlicht und ergreifend mit dem Pointer auf Hinweise zeigen, auf die man eigentlich auch ganz allein kommen würde. Ist zwar ein nettes Feature obendrauf, wenn man zu zweit grübeln will, wirkt aber trotzdem irgendwie überflüssig und indirekt sogar hinderlich.
Wer Teil 1 schon kennt, weiss, was ihn in Teil 2 erwarten wird: Stil, Grafik, Sound, Produktion und Schwierigkeitsgrad sind allesamt auf demselben Level, wie bei Tunguska (also Teil 1) - und das ist absolut ein gutes Zeichen. Wer Teil 1 noch nicht kennt, sollte sich beide Titel besorgen, und natürlich zuerst mit Teil 1 beginnen. Nicht, dass das unbedingt notwendig wäre, um in Teil 2 zurechtzukommen, aber so habt Ihr ein längeres Spielvergnügen!
Ach, übrigens: Geheimakte 2 gibt's nicht nur für Nintendo Wii, sondern auch für Nintendo DS und den PC; ebenso, wie schon Teil 1. Keine Wii zu besitzen, ist also keine Ausrede dafür, die beiden Geheimakten nicht gespielt zu haben! ;)