ENTWARNUNGEs verkauft sich seit Erscheinen im Jahre 1995 konstant sehr gut, wurde mit diversen Auszeichnungen versehen, bekam diverse Erweiterungen, Ergänzungen und Variationen, und hat weltweit mehrere Millionen Fans... Man sitzt in geselliger Runde beisammen, tauscht Holz gegen Lehm, verflucht die "7", meidet nach Möglichkeit die Wüste, freut sich über 2:1-Häfen...
Ja, liebe Leute, was kann das nur sein? Es ist kein Videospiel und auch keine interaktive Fernsehshow! Es ist ein Brettspiel. Sein Name: Die Siedler von Catan. Seit ich es das erste Mal spielte, war ich davon angetan und bin es immer noch. Hier ist Cleverness gefragt, Geschick, Übersicht, Strategie und ein wenig Würfelglück... Gleich vorweg: Das Brettspiel herrscht gewaltig! Wer es nicht besitzt: sofort kaufen!
Aber hier soll es um die Videospiel-Adaption für den Nintendo DS gehen, die ganz simpel einfach nur "Catan" getauft wurde. Und mir stellt sich nun die Frage, ob es so gut wie das Brettspiel ist. Und welche Erweiterungen, Ergänzungen oder Varianten enthalten sind. Oder ist das sogar nur ein schnöder Lizenztitel, der lediglich den guten Namen verwendet, aber hat sonst nichts mit dem Original zu tun? Denn das sind wir Gamer/innen ja leider gewöhnt...
Also ich kann schon mal Entwarnung geben! Nein, es ist nicht anders als das Original, und enthalten sind das Basisspiel nebst Seefahrer-Erweiterung. "Städte & Ritter", "Händler und Barbaren", "Die Kolonien", "Der Schokoladenmarkt", "Die Ölquellen", etc., sowie alle Ergänzungen für 5 und 6 Spieler/innen sind nicht enthalten. Da dieser DS-Titel bereits 2009 erschien und so manche der Erweiterungen erst danach zu erwerben waren, ist das größtenteils verständlich; aber der Verzicht von "Städte & Ritter" mitsamt den zugehörigen 5&6-Spieler-Ergänzungen will sich mir nicht erschließen...
HAUPTMENÜIm Hauptmenü finden sich die folgenden 6 Menüpunkte. 1)
Kampagne. Hierunter versteht das Modul, dass nacheinander alle 16 enthaltenen Szenarios gegen insgesamt 8 jeweils verschiedene talentiert CPU-Spieler in immer anderen Konstellationen gewonnen werden müssen. Dabei steigt natürlich der Schwierigkeitsgrad mit jedem Szenario, weil die CPU-Gegner immer wieder anders ausgewählt werden und weil die Szenarios unterschiedlich groß und komplex sind.
Zuerst bekommt man das ganz normale Standard-Catan-Spielfeld mit den zugehörigen 19 Hex-Feldern geboten, das man zu dritt besiedeln muss. Später sind dann z.B. die Hex-Felder so gewählt, dass man nur sehr schwer an Erz kommt, oder es kommen die Schiffe hinzu und man muss/sollte neue Inseln besiedeln, um gewinnen zu können. Nicht zu vergessen, dass man immer häufiger auch gegen 3 CPUs antreten muss, die jedes Mal noch gewiefter und abgebrühter werden.
2)
Freies Spiel. Hier können alle 16 Szenarien aus der Kampagne gespielt werden, allerdings ab der zweiten Hälfte nur die, die man in der Kampgane auch schon siegreich besiedelt hatte. Ebenso kann man gegen CPUs, Menschen oder CPUs und Menschen antreten - alles frei nach eigenem Gusto. Sofern jedoch alle menschlichen Teilnehemer/innen ihr jeweils eigenes Modul und ihren eigenen DS besitzen. Erfreulich ist allerdings, dass man so auch nur zu zweit Catan spielen kann, weil dann die Plätze 3 und 4 von CPUs eingenommen werden, was beim Brettspiel ja so nicht ohne Regelwerkänderungen und "imaginäre Mitspieler" möglich ist. Wurde dann das Szenario bestimmt, können noch verschiedene Anpassungen vorgenommen werden. Man darf bestimmen, ob in der Aufbauphase 2 Siedlungen oder 1 Siedlung und 1 Stadt gebaut werden, bis wieviele Siegpunkte gespielt werden soll, oder auch, ob die Verteilung der Rohstoff-Felder, Häfen und Zahlenchips zufällig oder streng nach Vorgabe geschehen soll. Auf diese Weise bietet das Freie Spiel selbst für Einzelspieler/innen immer wieder neue Spielfelder und Herausforderungen.
3)
Spiel fortsetzen. Dieser Punkt tut, was sein Name verspricht. Man speichert eine laufende Partie in einen der vier möglichen Speicherslots ab und kann diese dann hier am Moment des Speicherns wiederaufnehmen. Allerdings kann nur gespeichert werden, wenn man selbst gerade am Zug ist. Solange die CPUs dran sind, muss man warten.
4)
Optionen. Diese gestatten, die Lautstärke von Musik und Soundeffekten anzupassen. Leider ist nicht möglich, Dialoge zu unterdrücken, die Würfelgeschwindigkeit einzustellen und so weiter.
5)
Hilfe. Hier wird eine kurze Spielübersicht der wichtigsten Regel und ein Stichwortverzeichnis ("Almanach" genannt) geboten, der einige Dutzend Begriff wie "Bauen", "Kreuzung", "Räuber", "Rohstoffe", oder "Stadt" im Detail erklärt. Praktisch ist, dass der Alamanch sogar während einer laufenden Partie aufgerufen werden kann.
6)
Info. Dieser verbirgt die Credits der Software. Wer hat sie entwickelt, wer vergab die Lizenz...
GAMEPLAY UND INHALT......entsprechen 1:1 dem des Basis-Brettspiels mitsamt Seefahrer-Erweiterung. Keine kruden Extraregeln, keine Sonderwünsche; alles ist so, wie im Original. Lediglich die Spielfigur-Farben sind etwas andere. Statt Weiß, Rot, Blau und Orange hat man hier Rot, Blau, Grün und Gelb. Schade finde ich, dass zwar auf die Holz-Optik der ersten Brettspieledition gesetzt wurde, aber dass keine Option vorhanden ist, um auf das Look and Feel der Plastik-Ausgabe umstellen zu können. Ansonsten ist das hier "Die Siedler von Catan" in Reinkultur. Wer das Brettspiel kennt, findet sich sofort zurecht, sogar die Spieldauer einer Partie entspricht dem Equivalent desselben Szenarios per Brettspiel.
Allerdings gibt es kleine Makel an der Handhabung. So ist z.B. das Tauschmenü etwas unflexibel. Man kann immer nur fixe Angebote machen und eventuell erhält man einmal ein Gegenangebot, mehr geht nicht. Nach dem ersten Gegenangebot kann man kein zweites oder drittes machen, sondern muss ein gänzlich neues Tauschangebot zurechtmachen. Toll wäre ebenfalls, wenn man etwas in den Raum stellen könnte wie "Gebe Holz oder Lehm, brauche Weizen". Stattdessen muss man erst nach Holz und dann nach Lehm fragen.
Der Tauschhandel mit den Anderen ist natürlich wichtig, um vielleicht an Rohstoffe zu kommen, die man gerade benötigt, aber nicht hat. Doch kann man ja auch mit der Bank tauschen. Hat man z.B. alles da, um eine Stadt zubauen, müsste aber für das dritte Erz die vier Holz auf der Hand bei der Bank tauschen, ist das alles problemlos machbar, aber es wäre schick gewesen, wenn das Spiel in diesen Momenten selbst erkennt. dass man in der Lage wäre, jetzt ohne Weiteres eine Stadt zu setzen und verstünde, dass die vier Holz für das dritte Erz herhalten sollen; tut es aber nicht. Man muss immer erst mit der Bank tauschen, bis man die Rohstoffe im Klartext vorliegen hat und dann kann man auch das bauen, was man bauen will. Davon geht die Welt nicht unter, aber es wäre ein kleiner Bequemlichkeitsbonus, der Umwege über die Menütruktur ersparen würde.
Unpraktisch ist auch, dass die Dialoge immer die Sicht auf das Spielfeld versperren. Man soll z.B. bei einer "7" sechs seiner Rohstoffe ablegen, hat aber dann keine Sicht auf die Karte, was die Entscheidung der abzulegenden Rohstoffe etwas verkompliziert; lieber auf eine Straße verzichten? Oder auf den Traum, aus dem Dorf eine Stadt zu machen? Wo und wie sind die Anderen noch mal positioniert oder wieviele Rohstoff-Karten besitzen sie aktuell? Beim Brettspiel verschafft man einfach schnell einen Überblick, auf dem DS geht das nicht. Die "7" kommt und der Dialog verlangt, die Karten abzulegen. Man kann ihn nicht minimieren oder verschieben. Er geht erst weg, wenn man die Rohstoffe bestimmte und dies bestätigt. Und dieserlei Situationen gibt es häufiger - so auch beim Tauschhandel oder der Frage, ob man den Räuber oder den Seeräuber versetzen möchte. Auch davon geht die Welt nicht unter, dennoch stört es jedes Mal, wenn es soweit ist, weil eine direkte Sicht so manche Entscheidung massiv vereinfachen würde.
Was allerdings schon ärgerlicher ist, ist die Steuerung. Diese funktioniert grundsätzlich sehr gut, setzt aber zu 100% auf den Touchscreen; Buttons werden konsequent ignoriert, sodass man nicht mit AXBY Dialoge bestätigen, würfeln oder Menüs aufrufen und mit dem Steuerkreuz im Menü navigieren kann. Stattdessen muss man fortwährend mit dem Touchpen die viel zu kleinen Schaltflächen anklicken, die man gern auch mal verpasst, obwohl man sicher ist, sie genau zu getroffen zu haben. Dabei hätte man alle Schaltflächen ohne Probleme doppelt so groß machen können und alles wäre super gewesen. Interessant ist, dass das aber nur auf den Ur-DS und den DS Lite zutrifft, denn beim DSi und DSi XL lassen sich bei "Catan" die Schaltflächen auf dem Touchscreen sehr gut mit den Fingern antippen, sodass man sehr bequem mit den Daumen spielen kann. Eine Funktion zum Verändern des Blickwinkels auf das Spielfeld ist ebenfalls nicht vorhanden. Man kann allenfalls etwas heran- oder wegzoomen und das Spielfeld scrollen. Nicht zu vergessen, dass man so häufig das Gerät mit einer Hand hält und mit der anderen herumtippt - das kann auch mal unbequem werden.
Wie schon unter "Optionen" erwähnt wäre schön gewesen, wenn man einige unnötige Dialoge hätte abschalten können. So kommentieren die CPUs jedes Mal, wenn sie eine Straße, ein Schiff, eine Siedlung oder eine Stadt gebaut haben, oder wenn man ihnen eine Rohstoff-Karte durch Platzierung des Räubers stiehlt, dies mit Sätzlein. Und hier lässt sich nichts machen - das muss man erdulden. Der kleine Dialog ploppt auf und muss durch Draufklicken geschlossen oder 2 Sekunden abgewartet werden. Das klappt tadellos, aber auf Dauer wünscht man sich schon, dass man sich diesen ständigen Extraklick ersparen könnte und einfach nur stillschweigend das Objekt auf das Spielfeld gesetzt werden würde.
NICHT MIT GNADE RECHNENWas mir sehr gut gefällt, ist, dass die CPUs von Beginn an ohne Rücksicht spielen. Sie bauen clever und geschickt und nehmen keine Rücksicht darauf, dass man vielleicht noch Anfänger wäre und eventuelle Details schlicht übersieht. Wer nicht bei der Sache ist und aufpasst, was geschieht oder auch schon in der Aufbau-Phase ungünstige Wahlen trifft, darf nicht mit Gnade rechnen. So soll es sein. Man muss geschickt observieren, wie und wo man baut, wie man von dort expandieren könnte, ob 2:1-Häfen in der Nähe sind, wer gerade welche Rohstoffe bekam und damit etwas baute, etc. Gleichsam hat man aber auch mehrere Möglichkeiten, ein Szenario für sich zu entscheiden. So kann also einerseits versuchen, Sahneplätzchen wie 5-8-9 zu erwischen, oder man stellt sich einmal zwischen zwei-Wolle-ein-Lehm und einmal an den 2:1-Wolle-Hafen, der praktischerweise gleich nochmals an zwei Wolle-Felder grenzt.
Auffällig ist aber, dass die CPU gegen Ende des Spiels den Hahn für Tauschgeschäfte radikal zumacht, wenn man droht zu gewinnen. Um es wirklich mal auf die Spitze zu treiben, bot ich an, alle meine 15 Rohstoffe gegen einmal Weizen zu tauschen; mir fehlten noch vier Punkte zum Sieg und ich führte. Aber da war nichts zu machen. Niemand ging darauf ein, obwohl genug Weizen im Spiel war. Trotz ihres ehrgeizigen Vorgehens tauscht die CPU aber manchmal auch sehr unsinnig. Desöfteren gab es schon Momente, in denen sie mir z.B. 1x Schaf und 1x Lehm für 1x Erz gab. Aber sofort nach diesem Tauschhandel will dieselbe CPU mir 1x Erz geben, um 1x Lehm zu bekommen. Das heisst, sie hätte im Endeffekt 1x Lehm verloren und ich 1x Schaf gewonnen. Warum stimmte sie dann überhaupt meinem Angebot zu?
ABER man kann die CPU auch hin und wieder ganz bewusst beim Handeln austricksen und so dann herausfinden, was sie auf der Hand hält oder zu tauschen bereit ist. Man bietet einfach alles an, was man selbst besitzt an und das, was man möchte, verlangt man einmal oder zweimal. Dann bestätigen und schauen, welche CPU-Gegner darauf eingehen (und so ein Angebot lehnen sie wirklich nur ab, wenn sie nicht damit dienen können, was man braucht, oder wenn man kurz vor dem Sieg steht). Doch gehen sie darauf ein, weiss man, sie haben diesen Rohstoff, jetzt dem Handel einfach nicht zustimmen, und erneut alles anbieten und etwas anderes verlangen... Das ist zwar irgendwie gemogelt, aber die CPU mogelt auch, habe ich das Gefühl. Allerdings klappt das eben nur, wenn man nicht zu hoch führt, weil die CPU ansonsten sowieso auf gar kein Angebot eingeht.
Wichtig auch zu wissen, dass die CPU-Spieler oft eisern zusammenhalten, in gewisser Weise. Sie spielen zwar gegeneinander und schieben sich nicht die nötigen Rohstoffe hin und her, um so auf jeden Fall leichtes Spiel zu haben, aber als Spieler/in hat man's bisweilen schwer. So hatte ich anfangs in einem Szenario, als wir alle noch je unsere 2 Start-Siegpunkte hatten, das Problem, dass bei jeder "7", die von irgendeiner CPU gewürfelt wurde, permanent ausschließlich meine Felder gesperrt wurden und natürlich wurde jedes Mal auch eine Rohstoff-Karte gemopst; dummerweise kam die "7" nicht gerade selten... Das kann schon mal frustrieren.
TECHNIKUm über die Inhalte und das Gameplay noch ein paar abschließende Worte zu verlieren, möchte ich einige für eine laufende Partie vielleicht weniger relevante, aber insgesamt doch gewichtige Punkte benennen.
So gefallen mir Grafik und Sound gut. Es gibt keinerlei Darstellungsfehler und alle Spielelemente (Rohstoff-Felder, Zahlenchips, Straßen, Siedlungen usw...) sind gut voneinander zu unterscheiden. Bis auf die bereits genannten Fakten habe ich rein gar nichts zu meckern.
Rundum und ohne negative Aspekte gelungen ist zudem die Soundkulisse. Die kleinen Klang-Effekte sind nett, nerven nicht und immer auseinanderzuhalten. Die Hintergrundmusik während einer Partie ist zwar immer dieselbe und sie dudelt in einer Dauerschleife, aber sie passt optimal zum Spiel und eigentlich sollte man dem Brettspiel eine CD mit eben jenem Song beilegen, damit der CD-Player die Partien zu Tisch oder Fußboden begleiten kann. Nicht, dass dies hier der Hit des Jahrhunderts wäre, aber er passt einfach super.
Was mich wirklich etwas wurmt, ist das Fehlen erweiterter Mehrspieler-Konnektivität. Lässt sich noch verschmerzen, dass alle Mitspieler/innen jeweils ein eigenes Modul benötigen, ist das Fehlen einer Online-Funktion sowie die Unterstützung für 5 und/oder 6 Spieler ziemlich bitter. Nett wäre auch gewesen, wenn man per Hotseat-Möglichkeit mit mehreren Personen alternierend am selben DS hätte spielen können.
FAZITDer Vorteil des Brettspiels ist sein größter Nachteil: Im Mehrspieler ist es unschlagbar, allerdings erst ab mindestens 3 Personen. Zu zweit ist es zwar auch spielbar, jedoch ist das eher ein fauler Kompromiss; und allein geht es schon gar nicht. Aber genau das ist die Stärke von "Catan" für den DS: Es ergänzt sich quasi mit dem Brettspiel, denn wenn man dort mal niemanden zum Mitspielen hat, spielt man eben die DS-Version gegen die CPUs, die obendrein ziemlich clever vorgeht.
Über die kleinen Makel (kein "Städte und Ritter", kein 5 und/oder 6 Spieler, Menüs verdecken das Spielfeld, CPU kann sich bisweilen als schwere Hürde herausstellen...) muss man wegen des mittlerweile sehr niedrigen Preises auch gar nicht lange erwägen, ob man nun zulangen sollte oder nicht - man tut es einfach!
Kurz und gut: "Catan" für den DS ist ein günstiges, praktisches Muss für Catan-Fans und DS-Besitzer/innen, die vielleicht auch gern mal im Zug oder wegen nicht vorhandener Mitspieler/innen allein siedeln möchten oder müssen; ansonsten zieht man natürlich das Brettspiel vor.