Wie bei Rune Factory üblich, beginnt das Spiel mit einer Story-Einführung, die Euch zunächst an das Gameplay heranführt. Rune Factory 4 wählt dabei den Weg, dass Ihr, nachdem Ihr angegeben habt, ob Ihr einen jungen Mann oder eine junge Frau spielen wollt, in einem kleinen Dörfchen aufwacht, in dem Ihr kurz vorher mit einem Luftschiff mehr oder weniger bruchgelandet seid. Da Ihr Euch nicht auskennt, bekommt Ihr deshalb erstmal eine ganze Menge erklärt. Wer wo was wie tut und wie zu Euch steht.
Doch das wichtigste Element ist vorerst, dass Ihr Euer eigenes Stückchen Land bestellen müsst. Harken, sähen, gießen, ernten... Wie spricht man mit den Dorfbewohnern, wie nimmt man Gegenstände auf, wie speichert man das Spiel und so weiter. Nachdem Ihr das ein wenig ausprobiert und bald verstanden habt, folgen weitere Elemente, wie der Kampf mit dem Schwert gegen einen boshaften Schmetterling, welcher sich schon bald als verzauberter Mensch herausstellt - die Story nimmt langsam Fahrt auf.
Auch das Gameplay Stück für Stück mehr und mehr komplex, denn nicht nur müsst Ihr eine Minifarm beackern und Action-RPG-like durch die Dungeons und Wälder streifen, nein, Euer Charakter levelt in regelmäßigen Abständen auf, da sich Eure Statuswerte allesamt verbessert, bei allem, was Ihr tut. Jäten, Kämpfen, Laufen, Fischen, ja, selbst so einfache Dinge wie ein Bad nehmen...
Insgesamt könnte man es so sehen, dass Ihr mit Eurem Charakter zwei Leben parallel lebt. Es gibt einmal die eher soziale Komponente, bei der Ihr im Dorf Fuß faßt, kauft, verkauft, und sogar die Geschicke des Dorfes selbst mitbestimmt, denn Ihr stellt Euch sehr rasch als Prinz/essin heraus, und so organsiert Ihr unter anderem Kochwettbewerbe, klönt mit diesem und jenem, und dürft Euch sogar verlieben - und später gar heiraten, wenn Ihr mögt. Und dann gibt es die Abenteuerseite, mit Kämpfen gegen Monster, in der Machart von Zelda, Secret of Mana, Golden Sun und so weiter... Beides wechselt sich mehr oder weniger immer mal wieder ab. Sodass mal die eine Komponente, mal die andere Komponente im Vordergrund des Gameplays steht.
Es gibt also sehr viel Abwechslung, unheimlich viele Dinge zu tun und zu entdecken. Leider nur gibt es immer mal wieder Momente, bei denen man nicht so recht weiss, was man zu tun hat. Man hat gerade den letzten großen Kampf absolviert, und sich nun ein wenig im Dorf verdingt, aber naja, was als nächstes? Alle Wege aus dem Dorf hinaus sind versperrt, beziehungsweise, die Wege, die Euch offenstehen, habt Ihr bereits bereist und gewissermaßen vom Übel befreit. Was also soll man jetzt tun?
Ich hatte irgendwann nach 30 Minuten des Herumirrens und einfach "alle mal ansprechen" die Faxen dicke und hab im Internet gesucht; und die Lösung war: Noch 2 In-game-Tage verstreichen lassen und den Kochwettbewerb stattfinden lassen, auf sich alle Bewohner/innen freuen. Also ging ich zu meinem Bett, schlief eine Nacht - und gleich nochmal eine Nacht. Und et voilà... es ging voran. Die Sache ist: Mir wurde das durchaus von einigen Leuten im Dorf durch Gespräche angedeutet, weil stets erklärt wurde, wie sehr man sich auf den Wettbewerb freue und wer ihn wohl gewinnen würde und so weiter und so fort, aber nirgends bekommt man gesagt: "Es geht erst nach diesem Wettbewerb weiter - also lass einfach die Zeit verstreichen, sofern Du sonst nichts sinnvolleres zu tun hast!"
Eine weitere Sache ist, dass es, aufgrund der vielen, vielen Möglichkeiten im Gameplay, für Neulinge sehr viel zu lernen gibt. Wie nimmt man zum Beispiel selbst am Kochwettbewerb teil? Geht das überhaupt? Wenn ja, wie? Für alles das gibt es irgendwo jemanden im Dorf, mit dem/der man sprechen muss, um dann im Dialog per Asuwahlbox die gewünschte Frage zu stellen. Das ist dann etwas sehr viel auf einmal, denn ich zum Beispiel scherte mich eher weniger um den ganzen Alltagstrott im Dorf und hätte lieber Schlachten gekämpft, Items und Ausrüstung gefunden, gekauft und verkauft - aber das geht eben nicht. Man kann also nicht nur farmen und sozial interagieren, oder nicht nur das Action-RPG erleben. Man muss immer beide Komponenten des Gameplays bedienen, wenn auch im Wechsel, sozusagen.
Das bedingt zugleich ebenfalls, dass man nicht nur viel zu lernen, sondern damit auch sehr viel zu lesen hat. Die ersten 10 Minuten bekommt man quasi den Introteil, indem man nur Textboxen wegdrückt, und dann folgen noch einmal 20-30 Minuten, in denen man hierhin und dorthin läuft und liest, liest, liest, um zu verstehen, wer man ist und was man wo bei wem wie tun kann - WENN man Rune Factory noch nie gespielt hat.
Und das ist sowohl Segen als auch Fluch für diesen Hybriden. So sehr mir Look and Feel gefallen, so toll all die Musiken, Grafiken und Dialoge gemacht und wie viele Aufgaben es auch zu erledigen und Dinge zu entdecken gibt: Wer nur einen von beiden Bestandteilen spielen möchte, wird ein Problem haben. Das Dorfleben ist eher geruhsam und friedlich, und man beackert nebenbei sein kleines Feld, während die Action flott ist, und - da in Echtzeit -, ständige Aufmerksamkeit verlangt, weil die Gegner sich ungern die Butter vom Brot nehmen lassen, auch mal ausweichen, unerwartet angreifen und so weiter.
Wie man es hätte umsetzen können, weiss ich so zugegebenermaßen auch nicht so ohne Weiteres, aber wenn man im Groben zumindest selbst bestimmen könnte, dass man jetzt erstmal noch durch mehrere Dungeons crawlt, bevor man sich dann wieder 1-2 Stunden lang der Farm widmet, wäre das was Anderes. Denn, wie bereits geschildert, sind beide Gameplay-Komponenten für sich genommen sehr gut umgesetzt und bieten viel Komplexität und Motivation. Doch bestimmt das Spiel, was als nächstes kommt, wenn man ein Kapitel hinter sich gelassen hat, sofern man nicht immer nur Dinge tun will, die nicht wirklich was bringen, weil sie unwichtig sind oder bereits erledigt wurden.
FAZITWer an Rune Factory 4 interessiert ist, muss sich im Klaren sein, dass man nicht nur den Dorfleben-Part oder nur den Action-Part spielen kann - beides geht Hand in Hand und beides muss im gegenseitigen Wechsel absolviert werden. Und dass, bei aller optischen und akustischen Pracht, dem riesigen Umfang und der an sich sauberen Verzahnung zweier Genres, Rune Factory 4 komplett auf Englisch ist, macht die Sache nicht einfacher...
Insofern also ein supertolles Spiel, das aber nur seine eigentliche Zielgruppe rundum zufriedenstellen wird.